Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
nicht selten springt sie bei Erwachsenen für eine Triebbefriedigung der Sexualität ein. Oft stützen sich Nahrungs- und Sexualinteressen gegenseitig.
Die immer größer werdende Bequemlichkeit führt zu einem weiteren immensen Kostenfaktor. ›Alle streben zur Natur, aber niemand zu Fuß.‹ Moderne Fortbewegungsmittel und Arbeitserleichterungen haben gemeinsam, dass immer weniger Bewegung notwendig ist. »Die medizinischen Folgen der Bewegungsarmut betreffen in erster Linie das Herz- und Kreislaufsystem. Diese Schädigungen rufen zahlreiche weitere Krankheiten hervor, etwa Verdauungsstörungen, Rheumatismus, Gelenkerkrankungen etc.« Ebenso verkümmern fast alle Muskeln, vom Kaubereich bis hin zur Arm- und Beinnutzung. 75 Die damit einhergehenden Beeinträchtigungen wiederum beschleunigen diesen Prozess, weil sich zur anfänglichen Bequemlichkeit nun vielfältige Funktionsstörungen gesellen. So wird der sogenannte Fortschritt, besonders für Verwöhnte, zum gesundheitlichen Rückschritt mit hohen Folgekosten für alle.
Eltern und andere Erziehungsverantwortliche werden immer feiger, ihrer übernommenen Aufgabe und Verantwortung nachzukommen. Besonders häufig ist dieses Verhalten bei Alleinerziehenden feststellbar, 76 auch wenn dies wegen der Sondersituation dieser Gruppe nachvollziehbar sein mag. Andere sollen die Erziehung übernehmen, ich bin überfordert, ›Outsourcing‹ ist angesagt. Dies führt dazu, dass immer mehr unerzogene Kinder in die Gesellschaft hineinwachsen. Betriebe vermissen Mitwirkungsinteresse, Durchhaltevermögen, Eigenverantwortung, soziale Kompetenz und beklagen das Fehlen höflicher Umgangsformen. ›Vielen Kindern fehlt es an Erziehung, es gibt kaum moralische Barrikaden, die früher noch von Eltern, Pfarrern oder Lehrern errichtet worden sind. Es fehlt grundlegend an Orientierung‹, so Gräfin Dönhoff. Diesen Trend belegte der Bochumer Kriminologe Hans-Dieter Schwind mit Zahlen: Die polizeilich erfasste Kriminalität hat sich am Ende des 20. Jahrhunderts innerhalb von 25 Jahren fast verdoppelt, Raubdelikte vervierfachten sich. Besonders stark war der Anstieg an Jugendkriminalität. Er plädierte deshalb schon 1999: »Mehr für Soziales tun, sonst kriegen wir US-Zustände.«
Wie schon erwähnt, wird Erziehung bei uns als Privatsache angesehen, die Auswirkungen jedoch bekommen viele zu spüren. Mag das bei plärrenden Sprösslingen nur eine akustisch nervige Sache sein, bei Diebstahl und Gewalt sieht diese stringente Einbeziehung in die Folgen fremd verursachter Verwahrlosung schon anders aus. Verwöhnung schafft immer Teilhabe, wenn auch ungewollt!
Eine kleine Episode zur Konkretisierung: Nach einem Einkaufsbummel mit der vierjährigen Enkelin aus München musste noch eine Tankstelle angefahren werden. Auf dem Weg zur Kasse im großen Service-Center: »Oma, wann kriege ich denn endlich was gekauft?« – »Weshalb sollte ich dir was kaufen, du hast doch gar kein Fest.« – »Aber wenn ich mit Mama und Papa einkaufe, bekomme ich auch immer was geschenkt und die Diddl-Maus dahinten möchte ich unbedingt haben«, insistierte Nora. »Nein, ich mache das nicht so wie Mama und Papa, und das habe ich dir auch schon öfter gesagt. Außerdem hast du schon ganz viele Knuddeltiere. Nein, es gibt jetzt nichts«, sagte die Großmutter liebevoll, aber bestimmt.
Die Enkelin schien sich in ihr Schicksal hineinzufinden. Die Benzinrechnung war bezahlt, anschließend sollte es im Café auf dem Weg nach Neuss noch ein Eis geben. Beim Platznehmen staunte die Großmutter über ihre unförmig gewordene Enkelin. »Was hast du denn unter deiner Jacke?«, fragte sie und gleichzeitig kam schon das vorher erwünschte Plüschtier zum Vorschein. Verlegen meinte Nora: »Du hast sie mir ja nicht gekauft und ich wollte sie doch unbedingt.« Die Oma ist dann – nach tiefem Luftholen und mittlerem Schockiertsein – vom Café zur Tankstelle gefahren und hat dort mit der Enkelin die Diddl-Maus zurückgegeben.
Noras Mutter reagierte übrigens recht ungehalten, als sie von diesem Vorfall erfuhr. Keinesfalls jedoch wegen des Fehlverhaltens der Tochter. Nein, sie tadelte die eigene Mutter wegen ihrer Hartherzigkeit.
Diese Begebenheit führte zwar durch die Umsicht der Großmutter nicht zum Schaden Dritter, hätte aber sonst die Diebstahlsrate vergrößert. Die Kosten wären bei der Tankstelle hängen geblieben – auch eine Form der Umlage von Verwöhnungsschäden.
So beginnen kriminelle Karrieren: ›Was ich
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