Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
Jugendliche konnten jahrelang erproben, wie sie ›mit Köpfchen, aber ohne Anstrengung‹ durchs Leben kommen. ›Null Bock auf Arbeit‹ ist die Konsequenz dieser Erfahrung. Der Anteil der nicht berufsfähigen Jugendlichen, welche lieber von der Sozialhilfe leben möchten, steigt stetig. So wurde »hartzen« als ›Berufsbezeichnung‹ zum Jugendwort des Jahres 2009. Viele Arbeitgeber klagen, dass immer mehr Lehrlinge zu wenig von dem mitbringen, was in Beruf und Ausbildung gefordert wird. Damit sind keineswegs nur schulische Defizite gemeint. So liegt der Grund bei bis zu 65 Prozent der Lehrlinge eines Jahrgangs, die ihre Ausbildung abbrechen, nicht in fehlender Intelligenz oder fachlicher Einsetzbarkeit, sondern in zu geringer sozialer Belastbarkeit. Ein Lehrlingsausbilder: »Wenn heute Jugendliche in kleinste Anforderungssituationen kommen, fühlen sie sich der Aufgabe nicht gewachsen und schmeißen ihre Sachen hin.«
Konkret kann das so aussehen: Ein schwer vermittelbarer Jugendlicher suchte nach entsprechenden Fördermaßnahmen ein ihn interessierendes Praktikum. Ein Berufsförderungszentrum fand nach einigem Suchen einen solchen Platz bei einem Dachdecker. Über vier Monate klappte alles recht gut. Dies veranlasste den Dachdeckermeister, dem Jugendlichen einen Lehrvertrag anzubieten. Die spontane Reaktion schien von Freude gekennzeichnet zu sein, der Vertrag wurde unterschrieben. Angetreten hat der junge Mann diese Stelle jedoch nie. »Ich weiß ja nicht, ob ich das auch schaffe«, war die Begründung.
Wie tief das Bewusstsein verdrängt wurde, für das eigene Leben die Hauptverantwortung zu haben, zeigt sich auch in den großen Anstrengungen von Städten, Ländern und Arbeitsämtern, durch Sonderprogramme die Motivation zur Berufstätigkeit erst wieder schaffen zu müssen. Spezialisten suchen die zwar Arbeitslosen – aber keine Arbeit Suchenden – zu Hause auf, sollen das Wollen motivieren, Bewerbung trainieren und Stellen vermitteln. Firmen erhalten Lohnkostenzuschüsse, alles wird unternommen, um eine erneute Integration ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Wie sieht eigentlich das Selbstbild dieser arbeitsentwöhnten Menschen aus? 73
In Betrieben scheitern Umqualifizierungen oder Versetzungen am Verweigerungsverhalten kaum zu bewegender Angestellter. Inaktivität führt dazu, dass Aufträge verspätet oder gar nicht abgewickelt werden. »Nieten in Nadelstreifen« bzw. neurotische Chefs können ihre Verwöhnmentalität gut auf Kosten anderer ausleben, verwöhnte Normal-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind dafür bei jedem Wetter- oder Stimmungswechsel indisponiert und besuchen Ärzte nur während der Arbeitszeit. Konflikte werden verdrängt und wo der Wirtschaftsstandort Deutschland Innovation bräuchte, ist Resignation angesagt. Erst nach einem normalen Arbeitsalltag sind manche solcher Zeitgenossen so weit warmgelaufen, dass im begrenzten Rahmen Aktivitäten möglich sind: ein Kneipengang (nicht Kneippgang), etwas Schwarzarbeit und natürlich die allabendliche Seharbeit am Bildschirm. Gut, dass am nächsten Tag der Betrieb wieder trefflich zur Erholung genutzt werden kann. Die Folgen all dieser durch Trägheit und Vermeidung geprägter Verhaltensweisen haben immer die Aktiven und Leistungsbereiten zu tragen.
Ein kurzer Blick in den Bereich Gesundheitskosten-Explosion: Ungenügend für das Leben Gerüstete flüchten sich in Krankheiten. Ärzte stützen auf diesen Grundlagen ihre Existenz, Krankenkassen ziehen den Gesunden das Geld aus der Tasche, damit die ungesund Lebenden ihre Zuwendung erhalten. Ganz schwierige Fälle werden per Rezept zum Psychotherapeuten überwiesen. Ein Heranwachsen im erregerfreien Klima eines verwöhnenden Elternhauses hat auch hinsichtlich der Gesundheitskosten seinen Preis: Bei kleinstem Unwohlsein Beruhigungsmittel, für jede mögliche Infektionskrankheit eine Impfung, bei harmlosem Husten oder Schnupfen aus der Schule nehmen, Beanspruchung im Sport werden per ärztlichem Attest gestoppt, 74 schmerzlindernde Tabletten und Beruhigungsmittel werden zum täglichen Begleiter. So können keine körpereigenen Widerstandskräfte mobilisiert werden. Dicke Menschen nehmen in Deutschland von Jahr zu Jahr zu, sowohl in Bezug auf deren Anzahl als auch auf das Durchschnittsgewicht. Reihenuntersuchungen an Schulen belegen, dass die Anzahl falsch und überernährter Kinder mittlerweile fast 40 Prozent aller Jahrgänge in Grundschulen ausmacht. Ernährung wird zur Ersatzbefriedigung,
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