Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
schützen. Erziehung zur Grenzenlosigkeit drückt die fehlende Akzeptanz von Erwachsenen gegenüber Grenzen aus, die Kinder spiegeln diese Ignoranz nur wider.
Ein Verständnis, dass sich ein Bekämpfen der Verwöhnung gegen die Liebe richte, entlarvt sich schnell, wenn die Folgen in den Blick genommen werden. Denn Unselbstständigkeit und Abhängigkeit lassen sich keinesfalls mit liebender Zuwendung in Verbindung bringen. Wenn Liebe innerhalb der Verwöhnung eine Bedeutung hat, dann eine egoistisch auf sich selbst gerichtete. – Eine Variante lautet, dass die von mir eingebrachten Forderungen nach mehr Konsequenz durch Liebesentzug erreicht werden sollen. Es wird gefolgert, dass dies nie ein Mittel im Umgang mit Menschen sein darf. Dieser Folgerung ist uneingeschränkt zuzustimmen. Auf mein Nachfragen, wie dieser Vorwurf erklärt werde, entwickelten die Wortführer folgende Begründungskapriolen: Sie setzen das Tragen – oder Ertragen – von Konsequenzen mit Zuwendungsentzug gleich. Dies ist aber ein gedanklicher Kurz-Schluss. Es wird nachvollziehbar sein, dass Konsequenzen beim Betroffenen keinen Jubel auslösen und häufig als beeinträchtigend erlebt werden. Diese wichtigen Erfahrungen einem Menschen jedoch vorenthalten zu wollen, weil Bezugspersonen die damit einhergehenden Spannungen nicht aushalten können, ist unverantwortlich. Wer traurige Augen oder eventuell auch Tränen nicht ertragen kann, sollte dies baldmöglichst lernen. Denn verwöhnte Menschen werden reichlich die Gelegenheit nutzen, ihr Umfeld bis über den Rand zur Verzweiflung zu bringen.
Eine weitere Falle bezieht sich auf den Begriff Leistung , wenn er penetrant mit Ausbeutung gleichgesetzt wird. Aber wieso werden dauernd neue Autos mit immer größerer Leistung auf die Straße gebracht? Weshalb gibt es keine Kampagne mit dem Ziel, den Leistungssport abzuschaffen und Wettkämpfe zu verbieten? Leistung heißt etwas schaffen. Und wegen einer häufig diagnostizierbaren Trägheit brauchen wir dazu klare Anforderungen. Der Alltag macht’s ganz deutlich: Wer nichts leistet, kann sich auch nichts leisten!
Viele Menschen bringen zur Kaschierung des eigenen Unvermögens, wenn Aufgaben unumstößlich zur Umsetzung anstehen, sofort den Begriff Druck ein. Selbstredend ist dies gleichermaßen unpädagogisch wie unmenschlich. Aber: Druck schaffen oder nutzen ist ein restlos neutraler Vorgang. Reife Menschen wissen, dass sie latent Druck brauchen, ihn sich sogar selber machen, um Ziele nicht aufzugeben. Andere erstellen einen Zeitplan zum Vorgehen, um im weiteren Verlauf nicht unnötig unter Druck zu geraten. Aber Anti-Druck-Denk-Spezialisten sehen dies anders. Falls diese einmal im Bereich ihrer Triebe oder Grundbedürfnisse Druck und Drang verspüren sollten, kann dann nur tief durchatmen und entspannen weiterhelfen. Denn Druck machen oder Druck haben, scheint einfach unanständig.
Eine Steigerung solchen Denkens wird deutlich, wenn erzieherisch sinnvolle oder notwendige Forderungen als Ausdruck von Zwang gewertet werden. ›Mit solchen Mitteln zu operieren ist doch wohl das Hinterletzte!‹ Aber viele ausweglose Situationen sind das Ergebnis fehlender vorheriger Selbststeuerung. Aufgaben oder Entscheidungen dauernd vor sich herzuschieben führt in der Regel dazu, dass es irgendwann zu einer Handlung kommen muss . Das demjenigen anzulasten, der sie verdeutlicht, verstärkt nur den Druck auf das Anstehende.
Eine weitere Blockade im Kopf kann die Auffassung sein, ohne Anstrengung und förderlichen eigenen Beitrag Konflikte meistern zu können. Aber ohne das Aufgreifen von Herausforderungen und Zielen ist im Leben überhaupt nichts zu meistern. So kann auch kein stabiles Ich entstehen. Fehlt schließlich ein realistisches Selbst, kann auch keine Selbstverwirklichung betrieben werden! – Keinesfalls ist Strenge angebracht, wenn Verwöhnung abgebaut werden soll. Verwöhnte Zeitgenossen jedoch bringen diesen Begriff sofort dann ein, wenn es um die Akzeptanz von Grenzen oder das Tragen von Konsequenzen geht. Aber Klarheit und Eindeutigkeit verlangen schon mal An-Streng-ung.
Der mögliche Irrtum, mit einem Zurückdrängen der Verwöhnung würde gleichzeitig eine Verabschiedung von Wohlstandsgütern gefordert, lässt sich ebenfalls schnell auflösen. Nein, es geht um ihren Erhalt, ökologisch und persönlich. Denn wer die eigene Anstrengung vor den Genuss setzt, wird somit einerseits Konsumbevorzugungen reduzieren und gleichzeitig tiefen Genuss
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