Die vierte Hand
untergegangen; sie hatte die Holzbretter den ganzen Tag gewärmt, und Otto und seine Zukünftige spürten ihre Wärme, als sie ihre feuchten Badesachen auszogen. Sie legten sich zusammen auf ein trockenes Handtuch. Das Handtuch roch nach Sonne, und auch das auf ihren Körpern trocknende Wasser roch nach See und Sonne. Es gab kein »Ich liebe dich« oder »Willst du mich heiraten?« Als sie einander auf dem Handtuch auf dem warmen Steg in den Armen lagen, die Haut noch feucht und kühl, war das ein Moment, der nach einer stärkeren Verpflichtung verlangte. Es war das erste Mal, daß die spätere Mrs. Clausen Otto jenen besonderen Ton und ihre erregende Frage hören ließ: »Was machst du gerade?« Es war auch das erste Mal, daß Otto feststellte, daß er zu schwach zum Reden war. »Lust, ein Baby zu machen?« hatte sie gefragt. Es war das erste Mal, daß sie es versuchten. Das war der Heiratsantrag gewesen. Er hatte mit seinem Ständer, einer Erektion mit dem Blut von tausend Worten, »ja« gesagt. Nach der Hochzeit hatte Otto über den Booten im Bootshaus zwei separate Zimmer gebaut, die von einem gemeinsamen Flur abgingen. Es waren zwei ungewöhnlich lange, schmale Räume - »wie Kegelbahnen« hatte Mrs. Clausen ihn geneckt -, aber er hatte es so gemacht, damit die Bewohner beider Räume das Seeufer sehen konnten. Eines war ihr Zimmer - das Bett nahm fast die gesamte Breite ein und war auf Fensterhöhe hochgesetzt, um ihnen die optimale Aussicht zu gewähren. Im anderen Zimmer standen zwei Einzelbetten; dieses Zimmer war für das Baby.
Bei dem Gedanken an das unbewohnte Zimmer über den sanft schaukelnden Booten kamen Otto die Tränen. Das nächtliche Geräusch, das er am meisten liebte, nämlich das kaum hörbare Plätschern des Wassers gegen die Boote im Bootshaus und gegen den Steg, auf dem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, erinnerte ihn mittlerweile nur noch an die Leere jenes unbenutzten Zimmers.
Das Gefühl am Ende des Tages - das Gefühl einer nassen Badehose und wie es war, sie auszuziehen; der Geruch von Sonne und See auf der nassen Haut seiner Frau - schien mittlerweile von unerfüllten Erwartungen vergällt zu sein, Die Clausens waren seit über zehn Jahren verheiratet, gingen aber seit zwei, drei Sommern praktisch nicht mehr zu dem Cottage am See. Ihr Leben in Green Bay nahm sie zu sehr in Anspruch; irgendwie wurde es immer schwieriger, wegzukommen - so ihre Begründung. In Wirklichkeit aber war es für sie beide noch schwieriger, sich damit abzufinden, daß der Duft der Kiefernbäume der Vergangenheit angehörte.
Und jetzt mußten die Packers auch noch gegen die Scheiß-Broncos verlieren!, grämte sich Otto. Der unglückliche, betrunkene Mann konnte sich kaum noch erinnern, weshalb er in dem kalten, geparkten Bierlaster plötzlich zu weinen angefangen hatte. Ja, richtig, weil seine Frau »armes Baby« gesagt hatte. In letzter Zeit hatten diese Worte eine verheerende Wirkung auf ihn. Und wenn sie sie dann auch noch in diesem speziellen Ton sagte... wie grausam die Welt doch war! Was war nur in seine Frau gefahren, daß sie das getan hatte, obwohl sie beide nicht zusammen waren, sondern nur miteinander telefonierten? Jetzt heulte Otto, und er hatte einen Ständer. Außerdem frustrierte ihn, daß er nicht mehr wußte, wie und wann das Telefongespräch mit seiner Frau geendet hatte. Es war schon eine halbe Stunde her, daß er dem Mann in der Taxizentrale gesagt hatte, der Fahrer solle auf den Parkplatz hinter der Bar kommen. (»Ich bin in dem Bierlaster - ist gar nicht zu übersehen.«) Otto langte nach dem Handschuhfach, in das er sein Handy gelegt hatte - sorgsam, um die Bierdeckel und Aufkleber, die er dort ebenfalls aufbewahrte, nicht durcheinanderzubringen. Er verteilte sie immer an die Kids, die ihn umringten, wenn er seine Ware auslieferte. In Ottos Viertel nannten die Kids ihn »Bierdeckel-Mann« oder »Aufkleber-Mann«, aber eigentlich waren sie hinter den Bierpostern her.
Er konnte nichts Falsches daran finden, daß diese Jungs, Jahre bevor sie alt genug zum Trinken waren, Bierposter in ihren Zimmern aufhängten. Otto wäre zutiefst gekränkt gewesen, wenn jemand ihm vorgeworfen hätte, er verleite junge Männer zum Alkoholismus; er machte den Kids einlach gern eine Freude, und wenn er die Bierdeckel, Aufkleber und Poster verteilte, so sprach daraus die gleiche liebevolle Sorge um ihr Wohlergehen, wie sie darin zum Ausdruck kam, daß er nicht betrunken Auto fuhr.
Aber wie
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