Die vierte Hand
Vielleicht hast du dann ja sogar Lust auf mehr als eine Nacht.« »Mary, bitte -«
»Herr des Himmels, Pat - du hast doch schlichtweg jede gevögelt! Was glaubst du denn, wie ich mir dabei vorkomme ... daß du mich nicht vögelst?«
»Mary, ich möchte dein Freund sein. Ein guter Freund.« »Okay, ich sag's ganz direkt - du zwingst mich dazu«, sagte Mary. »Ich will, daß du mich schwängerst. Ich will ein Kind. Du würdest ein hübsches Kind zeugen, Pat. Ich will dein Sperma. Ist das okay? Ich will deinen Samen.«
Wir können uns vorstellen, daß es Wallingford widerstrebte, auf diesen Vorschlag einzugehen. Nicht, daß er nicht gewußt hätte, was Mary meinte; er war sich nur nicht sicher, ob er das alles noch einmal durchmachen wollte. Doch in einer Hinsicht hatte Mary recht: Er würde in der Tat ein hübsches Kind zeugen. Er hatte es bereits getan.
Er war versucht, Mary die Wahrheit zu sagen: daß er ein Kind gezeugt hatte und daß er es sehr liebte; daß er auch Doris Clausen, die Witwe des Bierfahrers, liebte. Doch so nett Mary auch erscheinen mochte, sie arbeitete nun einmal immer noch im New Yorker Nachrichtenstudio. Sie war immerhin Journalistin. Wallingford hätte verrückt sein müssen, um ihr die Wahrheit zu erzählen.
»Wie wäre es mit einer Samenbank?« fragte er sie eines Abends. »Ich wäre bereit, eine Samenspende zu erwägen, wenn dein Herz wirklich daran hängt, ein Kind von mir zu bekommen.«
»Du Arsch!« schrie Mary. »Du kannst die Vorstellung nicht ertragen, mit mir zu vögeln, stimmt's? Herrgott, Pat - brauchst du eigentlich zwei Hände, bloß um ihn hochzukriegen? Was ist los mit dir? Oder liegt's an mir?« Es war ein Ausbruch, der ihrem wöchentlichen gemeinsamen Essen ein Ende machte, zumindest für eine Weile. Als Patrick sie nach diesem aufwühlenden Abend mit dem Taxi bei ihrer Wohnung absetzte, sagte sie nicht einmal gute Nacht.
Wallingford, der verständlicherweise durcheinander war, nannte dem Taxifahrer die falsche Adresse. Bis ihm sein Fehler klar wurde, hatte das Taxi ihn bei seiner früheren Wohnung in der East Sixty-second Street abgesetzt, wo er mit Marilyn gewohnt hatte. Ihm blieb nichts anderes übrig, als einen halben Block zu Fuß zur Park Avenue zu gehen und ein Uptown-Taxi anzuhalten; er war zu müde, um über zwanzig Häuserblocks weit zu Fuß zu gehen. Aber natürlich erkannte ihn der verwirrte Doorman und kam auf den Bürgersteig herausgeschossen, ehe Patrick sich davonstehlen konnte.
»Mr. Wallingford!« sagte Vlad oder Vlade oder Lewis überrascht. »Paul O'Neill«, sagte Patrick beunruhigt. Er hielt ihm seine einzige Hand hin. »Schlägt links, wirft links - wissen Sie noch?« »Ach, Mr. Wallingford, gegen Sie kann Paul O'Neill doch überhaupt nicht anstinken«, meinte der Doorman. »Die neue Sendung finde ich toll! Ihr Interview mit dem Kind ohne Beine... Sie wissen schon, der Junge, der ins Eisbärengehege gefallen ist oder reingeschubst wurde.« »Ich weiß, Vlade«, sagte Patrick.
»Ich heiße Lewis«, sagte Vlad. »Ich fand's jedenfalls toll! Und dann dieses elende Weib, das die Ergebnisse vom Abstrich ihrer Schwester gekriegt hat - nicht zu fassen!«
»Ich konnte es selber kaum glauben«, räumte Wallingford ein. »Man nennt das einen Papanicolaou-Abstrich.«
»Ihre Frau hat Besuch«, meinte der Doorman verschlagen. »Heute nacht, meine ich.«
»Sie ist meine Exfrau«, erinnerte Patrick ihn.
»Meistens ist sie nachts allein.«
»Es ist ihr Leben«, sagte Wallingford.
»Ja, ich weiß. Sie zahlen bloß dafür!« erwiderte der Doorman.
»Ich kann mich nicht darüber beklagen, wie sie ihr Leben führt«, sagte Patrick. »Ich wohne jetzt uptown, in der East Eighty-third Street.« »Keine Bange, Mr. Wallingford«, sagte der Doorman. »Von mir erfährt's keiner!«
Was die fehlende Hand anging, hatte Patrick gelernt, den Stumpf ungescheut in die Kamera zu halten; außerdem demonstrierte er mit Vergnügen seine wiederholten Mißerfolge mit einer Vielzahl prothetischer Hilfen. »Sehen Sie - es gibt Menschen, deren Koordinationsvermögen nur geringfügig besser ist als meines und die mit diesem Ding zurechtkommen«, begann Wallingford gern. »Neulich habe ich einem Mann zugesehen, der seinem Hund mit so einem Ding die Krallen geschnitten hat. Und das Biest war ziemlich lebhaft.«
Doch die Ergebnisse waren, wie vorauszusehen, immer die gleichen: Patrick kippte sich seinen Kaffee in den Schoß, oder er blieb mit seiner Prothese am Mikrofonkabel hängen
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