Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
ich.«
»Ich kümmere mich trotzdem darum.«
»Diese Morde könnten doch auch ein seltsamer Zufall sein, oder?«, sagte Diane, ohne sich allerdings selbst zu glauben.
»Nicht in einer Stadt dieser Größe.«
Sein Kommentar konnte als Abschluss dieses Teils ihres Gesprächs gelten. Diane kehrte zu ihren Vermessungen zurück.
Frank beobachtete höchst interessiert, wie sie das postkraniale Skelett, also alle Knochen außer dem Schädel, untersuchte.
»Rot war vielleicht Balletttänzerin«, brach Diane das Schweigen.
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Frank erstaunt.
»Die Ansätze ihrer Wadenmuskulatur sind äußerst gut entwickelt und größer als alle anderen an ihrem gesamten Körper. Diese Muskeln braucht man vor allem beim Balletttanz.«
»Wadenmuskel, das wäre dann der Gastrocnemius«, meinte Frank.
»Sehr gut. Du kennst dich mit Muskeln aus?«
»Da drüben hängt ein entsprechendes Schaubild.«
»Du hast dieses Schaubild auswendig gelernt, während ich die Knochen in die richtige Ordnung gebracht habe?«
»Ich habe nur einige Ausdrücke wiederentdeckt, die ich bereits kannte. Außerdem kennt jeder, der einmal Gewichte gestemmt hat, die Bezeichnungen der wichtigsten Muskelgruppen. Du weißt schon: Deltamuskeln, Brustmuskeln, Bizeps, Bauchmuskeln.«
Diane lachte und schüttelte den Kopf.
»Da muss es doch noch mehr Indizien geben, wenn man so etwas nachweisen will. Sie könnte ja auch einfach im Fitnessstudio viele Wadenübungen gemacht haben.«
»Rot litt unter einigen ernsten Entzündungen ihres rechten Flexus hallucis longus, des langen Großzehenbeugers, die wahrscheinlich mit der Plantarbeugung beim Spitzentanz zusammenhingen.«
Frank schaute sie einen Moment leicht amüsiert an. »Okay, ihre Muskeln taten ihr also weh, weil sie auf den Zehenspitzen getanzt hat.«
»Frank, du überraschst mich immer wieder. Das war gar nicht schlecht.«
»Na ja, ich weiß, was mit ›Beugung‹ gemeint ist, und das Herumspringen auf den eigenen Zehen kann ja wohl auch nicht so gesund sein. Außerdem solltest du nicht vergessen, dass ich Ermittler bei der Kripo bin.«
»Die Hallucis-longus-Sehne beginnt an der Fibula, dem Wadenbein, läuft an der Fußsohle entlang und endet an der großen Zehe, die sie nach oben zieht. Eine ständige Überdehnung, wie sie der Spitzentanz verursacht, kann sie so ernsthaft beschädigen, dass Verletzungsstellen auf den entsprechenden Knochen zurückbleiben. Du hast vollkommen recht – diese Form des Tanzes tut weder den Gelenken noch den Zehen gut. Die Kräfte, die dabei auf die Fußgelenke des Tänzers einwirken, können gut und gerne das Zehnfache seines Körpergewichts betragen.
An Rots Zehen sind Anzeichen einer solchen Überlastung zu bemerken. Dies stimmt sehr gut mit Verletzungsstellen auf ihrem linken Oberschenkelknochen überein, die auf eine chronische Entzündung der Psoassehne zurückgehen, die durch vielfache extensive Drehungen der Füße nach außen verursacht wurde. Ich vermute, auch wenn ich es nicht ganz sicher behaupten kann, dass Rot in zu jungen Jahren mit dem Spitzentanz begonnen hat.«
»Wieso um alles in der Welt sollte jemand seinem Körper so etwas antun?«
»Sollen wir jetzt über American Football sprechen?«
»Nun, also das ist etwas völlig anderes.«
»Wenn du das sagst.«
Frank griff letztlich doch auf Dianes Angebot zurück und legte sich auf ihr Sofa, während sie schweigend weiterarbeitete und dabei jeden Knochen untersuchte, vermaß und katalogisierte. Sie suchte dabei vor allem nach charakteristischen Merkmalen, die zur Identifizierung des Opfers führen konnten, und nach Einkerbungen oder Brüchen, die auf Verletzungen hindeuteten, die der Mörder dem Opfer vor oder während der Tat zugefügt hatte. Allerdings konnte sie nichts dergleichen finden.
Als sie die Wirbel untersuchte, bemerkte sie einen Ermüdungsbruch des fünften Lendenwirbels. Dies war ein weiteres Indiz dafür, dass Rot Balletttänzerin gewesen war. Vor allem die als Arabesque bekannte Ballettposition führt zu einer solch starken Belastung der unteren Wirbelsäule, dass dabei Brüche der Lendenwirbel auftreten können.
Am Schluss untersuchte Diane die abgeschnittenen Enden der Fingerglieder unter dem Mikroskop. Vier zeigten die Spur desselben Schneidewerkzeugs, das auch bei den beiden anderen Opfern benutzt worden war.
Sie fotografierte gerade diese Spuren, als Frank mit verschlafenen Augen ins Labor zurückkam. »Gehst du eigentlich nie ins Bett?«
»Ist
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