Die vierte Todsuende
Ordnung, wenn Sie mich verstehen…«
»Woher hat er denn das Geld? Ich meine für Essen, Heizung, Feldbetten und so? Zahlt das die Kirche?«
»Sie scherzen wohl, guter Mann! Das sammelt er hier und da und was weiß ich wo. Irgendwie bringt er es zusammen.«
»Sehr interessant. Wo ist denn dieses Heim?«
»Genau weiß ich es nicht. Irgendwo bei der Houston Street. Im Süden. Die genaue Adresse kenne ich nicht.«
Keisman bedankte sich, und er und Jason waren sich darüber einig, dass sie hier die erste und bisher einzige brauchbare Spur gefunden hatten. Sie hängten sich ans Telefon. Doch weder bei der Diözese, noch bei katholischen Hilfsorganisationen oder Veteranenvereinigungen konnte man ihnen Näheres über einen Priester sagen, der auf eigene Faust ein Heim für Vietnamveteranen in der Gegend südlich der Houston Street unterhielt.
Bis dann doch der Hinweis kam: Ein Pater Frank Gautier hatte einen ehemaligen Laden in der Mott Street gemietet, einen Block von der Houston Street entfernt.
»Das ist in Little Italy«, sagte Jason. »Da bin ich früher Streife gegangen.«
Sie fanden den Laden, der aussah wie ein Vereinslokal der Mafia: Die Schaufensterscheibe mit grüner Farbe zugekleistert, nirgendwo ein Schild, kein Name. Die Tür allerdings war unverschlossen, und die beiden schoben sich hinein. Der Laden war sehr geräumig, es mochte ein Fleischergeschäft gewesen sein, die Wände waren gekachelt, der Fußboden gedielt, die Decke mit Blech beschlagen.
Immerhin war es warm, ja überheizt. Anwesend waren etwa ein Dutzend Männer, die Hälfte Farbige, sie lasen Taschenbücher, dösten, spielten Karten. Alle sahen sehr heruntergekommen aus, bei vielen fehlten die Schnürsenkel in den Stiefeln, ihre Jeans und die alten Feldjacken waren zerrissen, einer war offensichtlich Transvestit, er trug Frauenkleider und eine Federboa.
Niemand blickte auf, als die beiden eintraten, und Keisman erkundigte sich bei einem Mann, der ein uraltes Exemplar des Wall Street Journal studierte, ob Pater Gautier anwesend sei.
Der Mann blickte schweigend auf, schaute die Neuankömmlinge an und rief ins Nebenzimmer hinüber: »He, Papa! Zwei neue Fische für dich!«
Der Mann, der von dort heraus watschelte, hatte den Umriss einer reifen Birne. Seine langärmlige schwarze Bluse endete in einem weißen Priesterkragen, und die Jeans wurden von einem breiten Cowboygürtel mit schwerer Schnalle gehalten. Er hatte dichtes pfeffer- und salzfarbenes Kopfhaar und trug dazu einen mächtigen Bart.
»Sind Sie Pater Gautier?« fragte Jason.
»Der bin ich«, seufzte der Kleriker, »wer hat nun wieder was wem angetan?«
»Unseres Wissens niemand.« Keisman hielt ihm Gerbers Foto hin. »Kennen Sie den?«
Gautier sah sich Gerber an, blickte die beiden Beamten an und fragte: »Haben Sie Geld?«
Beide schauten verdutzt.
»Geld«, wiederholte der Pater ungeduldig, »Kies, Kohle, Sie wollen Informationen. Gut. Aber nix Kohle, nix Auskunft. Glauben Sie mir, es dient einem guten Zweck, und belohnt werden Sie dafür im Himmel — oder sonst wo.«
Jason und Keisman zückten ihre Brieftaschen und boten jeder eine Fünfdollarnote. Gautier griff eifrig danach.
»Du da, Jizzy!« rief er einem der dösenden Farbigen zu. »Lauf zu Vic und schaff uns einen Schinken her! Sag ihm, der ist für uns, und wenn er wieder so fett ist wie der letzte, demolieren wir ihm seine Bude!«
»Yassa, Massa«, sagte der Schwarze und salutierte mit dem Zeigefinger.
»Und ihr beide kommt mit mir.« Er ging voran ins Nebenzimmer, eine Art Büro, chaotisch und kaum größer als ein begehbarer Schrank. Er machte die Tür zu und sagte ohne Umschweife: »Ja, ich kenne ihn. Harold Gerber ist das. Hat er was ausgefressen?«
»Das kann man noch nichtsagen, Pater. Wir haben nur den Auftrag festzustellen, wo er an einem bestimmten Tag gewesen ist, an einem Freitagabend im November nämlich.«
»Da war er hier.«
»Moment mal«, sagte Jason, »Sie wissen ja gar nicht, welchen Freitag wir meinen!«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Brauche ich auch nicht.
Harold ist jeden Freitagabend hier. Und zwar jetzt schon seit mehr als einem Jahr.«
Die Beamten wechselten einen Blick.
»Weshalb gerade freitags?« fragte Keisman, Gautier gab Keismans Blick zurück. »Weil ich freitags die Beichte höre.«
»Wollen Sie behaupten, Gerber hätte seit länger als einem Jahr jeden Freitagabend gebeichtet?«
»Ich will das nicht behaupten, ich behaupte es. Jeden Freitagabend. Das können
Weitere Kostenlose Bücher