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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Sie glauben oder auch nicht. Tun Sie es nicht, ziehe ich einen Talar an, gehe zum nächsten Gericht und gebe eine eidesstattliche Erklärung dieses Inhalts ab.«
    »Das wird kaum nötig sein, Pater«, beruhigte ihn Keisman. »Um welche Zeit kommt er für gewöhnlich her?«
    »Um neun so was. Ich höre die Beichte von acht bis zehn. Er bleibt meist noch nachher eine Weile mit den Jungs zusammen, und wenn er kann, lässt er mir ein paar Dollar da.«
    »Sie wussten, dass er in psychiatrischer Behandlung war, Pater?«
    »Klar wusste ich das. Ich hab ihm dazu geraten.«
    »Wozu brauchte er Sie dann noch, wenn er doch zu einem Psychiater ging, verzeihen Sie die direkte Frage.«
    »Weil er katholisch erzogen worden ist, Das wird man nicht so leicht los.«
    »Hat er durch diese Therapie Fortschritte gemacht?«
    Der Priester wurde ärgerlich. »Fortschritte! Fortschritte! Machen Sie welche? Mache ich welche? Was soll dieser Scheiß überhaupt! Wir sind doch alle schon zufrieden, wenn wir überleben, oder?«
    Jason entgegnete sanft: »Da mögen Sie recht haben, Pater. Wir sind ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie uns Ihre Zeit geschenkt haben, und im übrigen wissen wir nun, was wir wissen wollten.« An der Tür drehte Keisman sich um. »Wer kocht eigentlich bei Ihnen?«
    »Ich selbstverständlich«, sagte der Pater. »Warum, glauben Sie, bin ich so fett? Ich muss abschmecken.«
    Jason hob schmunzelnd einen Arm. »Friede sei mit dir, Bruder.«
    »Und mit euch«, erwiderte der Geistliche feierlich. »Und Dank für den Schinken. Damit ersparen Sie uns ein weiteres Abendbrot mit Erdnußbuttersandwiches.«
    Auf dem Weg zum Wagen bemerkte Jason: »Ein netter Kerl. Oder meinst du, er hat uns angeschmiert? Um Gerber zu schützen?«
    »Der kann gar nicht lügen«, behauptete Keisman. »Gerber tut bestimmt genau, was Gautier sagt - jeden Freitag beichtet er.«
    »Eine verrückte Welt.«
    »Und sie wird jeden Tag verrückter. Übernimmst du den Bericht für Delaney?«
    »Mach ich gleich heute Abend. Was passiert jetzt?«
    »Jetzt gehen wir auf ein paar Bier mit Gerber. Der arme Hund!«
    Benjamin Calazo lümmelte sich in der übelriechenden Halle einer Absteige auf der 23. Straße. Erwartete auf Betty Lee, die chinesische Nutte, mit der Ronald Bellsey es zweimal wöchentlich trieb; Betty Lee war wie jeden Tag ihre Mutter besuchen gegangen. Mama-san wohnte in der Pell Street und sah aus, als wäre sie mindestens hundert Jahre alt.
    Calazo hatte Betty Lee etliche Tage beschattet und meinte, ihren Fahrplan nun genau zu kennen. Gegen 9 Uhr verließ sie das Hotel, frühstückte in einem nahe gelegenen Delikatessenladen und nahm von hier ein Taxi nach Chinatown. Den Vormittag verbrachte sie bei Mama, der sie gelegentlich Blumen brachte oder auch eine Peking-Ente. Eine brave Tochter, wie man sieht.
    Um die Mittagszeit war sie wieder im Hotel, und dann kam auch schon der erste Freier, offenbar in seiner Mittagspause. Es folgte bis gegen 16 Uhr ein Kunde auf den anderen; dann ließ das Geschäft nach, und Betty Lee ging zum Essen aus. Nach 17 Uhr wurde der Verkehr wieder lebhafter, und gegen 2 Uhr früh machte Betty Lee Feierabend.
    Soweit Calazo gesehen hatte, ging sie nicht auf die Straße, sondern bediente eine Art Stammkundschaft, meist ältliche Knaben mit Bauch und Zigarre. Hin und wieder traten auch junge Bürschchen in Erscheinung, die sich möglichst unauffällig verhielten und ihren Auftritt rasch hinter sich brachten, offenbar von der Angst getrieben, jeden Moment einer Razzia zum Opfer zu fallen.
    Betty Lee entsprach in keiner Weise dem Bild, das Calazo sich von der idealen Hure machte. Sie war klein und beleibt, ihre Kleider sahen aus, als stammten sie von der Heilsarmee. Immerhin musste sie über verborgene Qualitäten verfügen, welche ihrer Kundschaft zusagten. Calazo dachte sich aus, dass sie neckische Spiele mit Essstäbchen vollführte, möglich ist alles.
    Als sie hereinkam, faltete Calazo die Zeitung, hievte sich aus dem Sessel und folgte ihr in den Fahrstuhl. Der Lift setzte sich in Bewegung. Calazo wusste, dass sie das Appartement 8 D hatte. Er grüßte höflich: »Guten Tag.«
    Sie lächelte stumm zurück.
    Auf ihrem Stockwerk angelangt, folgte er ihr bis zu ihrer Wohnungstür. Sie drehte sich zu ihm herum und sagte schroff: »Hau ab!« Darauf zeigte er seinen Dienstausweis vor.
    »Scheiße«, seufzte sie, »schon wieder? Wie viel soll es heute sein?«
    »Ich will kein Geld von dir, Betty.«
    »Soll ich dir einen blasen?«

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