Die vierte Todsuende
um.«
Sie machten sich auf den Weg zur East End Avenue und musterten dabei die Häuser beiderseits der 84. Straße. Es gab hier Appartementhäuser mit gepflegter Lobby, Reihenhäuser aus bröckligem Sandstein, eine Schule, behäbige Privathäuser, verfallende Mietskasernen und jeweils an den Straßenecken ziemlich schäbige Ladengeschäfte.
Nach einem Blick auf den East River kehrten sie um.
»Reichlich Hinterhöfe«, bemerkte Boone, »außerdem offenstehende Haustüren. Der Täter könnte sich praktisch überall vor dem Regen untergestellt haben.«
»Schön und gut, aber wie ist er bei Ellerbees reingekommen? Kein Zeichen von Gewaltanwendung. Mich interessiert eigentlich mehr, was er nach der Tat gemacht hat. Ist er einfach weggegangen und hat die Tür offen gelassen? Hatte er nahebei einen Wagen stehen? Oder hat er sich ein Taxi genommen?«
»Ich hoffe, Sie beabsichtigen nicht, die Fahrtenbücher der Taxifahrer für die fragliche Nacht zu überprüfen, Sir?«
»Nicht gleich, aber es könnte erforderlich werden. Außerdem dürfte es weniger Arbeit machen, als Sie annehmen, denn in der Freitagnacht hat es nicht nur geregnet, es war eine wahre Sturzflut. Na, dann gehen wir mal die Witwe besichtigen, hier auf der Straße werden wir auch nicht klüger.«
Die Tür zur Straße war offen, man betrat eine Art Vestibül und stand vor der Tür zum Treppenhaus. Die wiederum war verschlossen. Seitlich waren Briefkästen angebracht, Namensschilder und Klingelknöpfe.
»Diese Tür stand offen, als Samuelson in der Tatnacht ankam«, bemerkte Boone.
»Schöne Tür. Eiche, mit geschliffenem Glas. Klingeln Sie mal, Sergeant.«
Boone drückte auf den Knopf neben Dr. Diane Ellerbee, und eine Frauenstimme ließ sich überraschend laut vernehmen:
»Wer ist da?«
»Sergeant Boone vom Präsidium. Wir haben mittags miteinander telefoniert.«
Der Summe ertönte. Boone drückte die Tür auf, und beide traten ins Treppenhaus. Delaney probierte versuchsweise die Tür zur Galerie Piedmont, doch die war verschlossen. Sie blickten sich neugierig um. Das Treppenhaus samt der Stufen war mit einem dicken Teppich ausgekleidet, ein kleiner Kronleuchter aus Kristall verbreitete gedämpftes Licht.
»Sehr hübsch«, sagte Delaney. »Sehen Sie sich mal das Geländer an, ausgezeichnet restauriert. Na, dann wollen wir mal. Sie übernehmen das Reden, Sergeant.«
»Achten Sie bitte darauf, dass ich nichts vergesse, Sir«, bat Boone. Delaney grunzte bloß.
Die Frau, die sie auf dem Treppenabsatz im ersten Stock bei geöffneter Tür erwartete, war hochgewachsen und hielt sich kerzengerade. Die um den Kopf gewundenen flachsblonden Zöpfe ließen sie noch größer erscheinen.
Das ist ja eine Walküre! fuhr es Delaney durch den Kopf.
»Darf ich um Ihren Dienstausweis bitten«, sagte sie knapp.
»Selbstverständlich.« Boone reichte ihr seine Hundemarke und den Dienstausweis. Sie prüfte beides aufmerksam und wandte sich sodann an Delaney, wobei sie Boone seine Utensilien zurückgab.
»Und wer sind Sie?«
Ihre Barschheit irritierte ihn nicht im mindesten, im Gegenteil, er bewunderte ihre Vorsicht. Die meisten Leute hätten sich mit Boones Ausweis begnügt und ihn, Delaney, unbehelligt gelassen.
»Mein Name ist Delaney, Madam«, sagte er deshalb freundlich, »die Polizeibehörde hat mich beauftragt, bei der Aufklärung des Mordfalles mitzuarbeiten. Bitte rufen Sie im Präsidium an, falls Sie irgendwelche Zweifel haben. Der Sergeant und ich warten derweil draußen.«
Sie starrte ihn unverwandt an und sagte nach kurzem Bedenken: »Das erübrigt sich. Ich glaube Ihnen. Nur bin ich eben besonders vorsichtig, seit…«
»Das ist sehr gescheit von Ihnen«, stimmte Delaney zu.
Beide Männer beobachteten, dass Mrs. Ellerbee die Wohnungstür verriegelte und die Kette vorlegte, bevor sie ins Vorzimmer weiterging.
»Ist die Wohnung hier ebenso geschnitten wie die darüber?« fragte Boone.
»Ach, die kennen Sie gar nicht? Ja, die Praxisräume sind hier und im zweiten Stock identisch. Das heißt selbstverständlich, dem Grundriss nach, nicht was die Dekoration und die Möbel angeht.«
Sie ging in ihr Sprechzimmer voran und ließ die Tür zum Vorzimmer offen. Den beiden Besuchern bot sie mit Cretonne bezogene Sessel an und nahm selbst hinter dem Schreibtisch Platz.
»Nicht sehr bequem, wie?« fragte sie, und zum ersten Mal verzogen sich ihre Lippen zur Andeutung eines Lächelns. »Das ist Absicht. Ich möchte vermeiden, dass meine jüngeren Patienten
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