Die vierte Todsuende
Tante.«
»War sie ein Einzelkind?«
»Sie hatte einen Bruder, der in Vietnam umgekommen ist. Weil der unverheiratet war und auch keine Kinder hatte, hat sie die Kohlen allesamt in den eigenen Keller geschaufelt.«
»Und wie viel könnte das alles zusammen ausmachen?«
»Noch ist nicht bekannt, was sie von Ihrem Mann erbt, das Testament wurde noch nicht eröffnet, aber abgesehen einmal davon, schätze ich sie auf um die fünf Millionen.«
»Auwei! Schön und reich! Und blitzgescheit!«
»Ja«, stimmte Parnell zu, »das ist sie auch, sie verwaltet ihr Vermögen nämlich selber. Die braucht keine Anlageberater, um ihr Geld zu vermehren. Sie versteht sich auf Diversifikation, hat von allem etwas: Aktien, Wertpapiere, steuerfreie Schuldverschreibungen, Grundbesitz — kurz, was Sie wollen.«
»Da schlag doch einer lang hin.«
»Und Schneid hat sie auch. Sie hat ausgesprochene Risikopapiere gekauft — unter anderem selbstverständlich —, aber ich muss zugeben, sie hat öfter gewonnen als verloren.«
»Und was ist mit Ellerbee selber?« fragte Delaney; »Wie stand der finanziell da?«
»Ungefähr wie Samuelson. Darben tat er nicht gerade, aber mit seiner Frau nicht zu vergleichen. Ich schätze, dass er nach Abzug der Erbschaftssteuer eine halbe Million hinterlässt. Eines ist immerhin interessant: Seine Frau hat für ihn das Geld investiert.«
»Ach, was Sie nicht sagen. Das ist wirklich interessant.«
»Mag sein«, sagte Parnell, »ihm fehlte es an Zeit, oder er hatte keine Lust, Reichtümer anzuhäufen. Wie auch immer, sie hat für ihn ebenso weise investiert wie für sich selber. Gemeinsame Bankkonten sind keine da, jeder wirtschaftete für sich. Nicht mal eine gemeinsame Einkommensteuererklärung haben sie abgegeben.«
»Und der Vater Ellerbees? Hat der seinem Sohn zugeschossen?«
Parnell grinste. »Henry Ellerbee? Der große Grundstücksmakler? Das wäre zum Lachen. Vor einem halben Jahr habe ich ihn mal in anderem Zusammenhang etwas durchleuchtet. Das ist ein echter Cowboy. Steckt bis zum Hals in Geschäften, besitzt aber keinen Pfennig. Seinen Wolkenkratzer ist er los, und alles übrige ist mit Hypotheken belastet. Werden die mal gekündigt, kann er sich mit Zeitungen zudecken. Sie und ich verfügen über mehr Bargeld als der. Seinem Sohn was zuzustecken, dazu war der gar nicht in der Lage. Eher schon umgekehrt. Und damit wären wir auch schon am Ende. Ist noch irgendwas unklar?«
Delaney dachte nach. »Nein, ich glaube nicht. Jedenfalls im Moment nicht. Lassen Sie mir die Berichte da, ich lese sie noch mal durch. Falls sich dann was ergeben sollte, kann ich Sie ja anrufen«
»Jederzeit. Und nach der Testamentseröffnung gebe ich Ihnen die Einzelheiten, die den Nachlass von Ellerbee betreffen.«
»Sehr schön.« Delaney schaute sein Gegenüber scharf an. »Haben Sie eigentlich Spaß an dieser Art Arbeit?«
»Und wie«, antwortete Parnell, ohne zu zögern. »Sie wissen ja, wie hoch, oder besser niedrig, mein Gehalt ist, und wenn ich meine Nase in anderer Leute Vermögensverhältnisse stecke, dann regt das meine Phantasie ungeheuer an. Reichtum fasziniert mich, und ich male mir aus, was ich mit dem Geld täte, wenn ich es hätte.«
»Haben Sie derzeit einen interessanten Fall?«
»Einen sehr interessanten sogar. Dabei geht es um Scheckbetrug per Computer. Der Täter war in der Computerzentrale einer Großbank in Manhattan angestellt; er versteht aber nicht nur was von Datenverarbeitung, sondern auch was vom Bankwesen. Er hat sich falsche Personalpapiere besorgt, bei mehreren Banken Girokonten unter falschem Namen eröffnet und ungedeckte Schecks ausgestellt. Mit ungefähr zehntausend Piepen hat er angefangen, und nach sechs Monaten hatte er schon eine Viertelmillion, einfach, indem er sich die Zeit zunutze machte, die zwischen Abbuchung und Gutschrift im Verkehr zwischen den Banken vergeht…«
»Gütiger Himmel, ich denke, da gibt es eine ausreichende Kontrolle?«
»Eben nicht!« rief Parnell. »Was in der fraglichen Zeitspanne passiert, ist eben nicht zu kontrollieren! Der Kerl konnte allerdings, wie die meisten Scheckbetrüger, den Hals nicht vollkriegen. Statt sich mit einem Profit nach Brasilien zu verdrücken, hat er alles auf eine Karte gesetzt, weil die Sache sich doch so gut anließ. Er hat auch außerhalb Konten eingerichtet und weil da die Überweisungszeiten noch länger sind, war auch seine Beute größer. Und dann hat er sich nicht mehr mit Konten in den angrenzenden
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