Die vierte Todsuende
ausgezeichnete Köchin, und Simon hat einen guten Weinkeller angelegt. Ich habe gern Gäste, und, offen gestanden, da draußen fühle ich mich jetzt recht einsam. Also, abgemacht?«
»Abgemacht«, stimmte Monica zu. »Schade, dass Sie schon weg müssen. Fahren Sie vorsichtig!«
»Das tue ich immer«, erwiderte Mrs. Ellerbee leichthin, »also dann: Auf Wiedersehen.«
Delaney brachte sie hinaus und verriegelte die Haustür.
»Was für eine gescheite Person«, sagte seine Frau ganz begeistert, als er ins Wohnzimmer trat. »Findest du nicht?«
»O ja, gescheit ist sie.
»Du würdest das Haus in Brewster doch auch gern sehen?«
»Ganz bestimmt sogar. Boones sollen uns hinbringen. Das wird ein hübscher Ausflug.«
»Hilft dir das weiter, was sie da über ihren Mann gesagt hat?«
»Du, ich habe keine Ahnung.«
»Und ich finde sie wirklich schön.«
»So schön, dass man es mit der Angst bekommen könnte.«
»Na, vor mir scheinst du dich ja nicht zu fürchten, Freundchen.«
»Nein, damit hast du recht.« Er wollte ins Arbeitszimmer gehen.
»Na, hör mal, ich denke, für heute ist Schluss bei dir?« protestierte sie.
»Es dauert nicht lange«, sagte er stirnrunzelnd, »ich muss nur eben noch was nachsehen.«
17
Benjamin Calazo, einer von Delaneys sechs Gehilfen, stand kurz vor der Pensionierung, und es graute ihm davor. Er stammte aus einer Polizistenfamilie. Sein Vater war Polizist gewesen, sein jüngerer Bruder war ebenfalls einer, und auch zwei Brüder seines Vaters hatten bei der Polizei gedient. Diese Arbeit war für ihn nicht irgendein beliebiger Job, sie war sein Lebensinhalt.
Calazo angelte nicht, er spielte nicht Golf, sammelte keine Briefmarken, sein Interesse galt uneingeschränkt und ausschließlich seiner Arbeit. Was sollte er nach der Pensionierung nur anfangen? Mitsamt der Frau nach Florida ziehen? In einem Wohnwagen irgendwo am Wasser hausen und die Zeit mit albernen Spielen totschlagen?
Der Fall Ellerbee bot ihm zumindest Gelegenheit, seine Laufbahn würdig zu beschließen. Sergeant Boone kannte er von früher und schätzte ihn. Boones Vater war im Polizeidienst ums Leben gekommen. Calazo hatte an der Beerdigung teilgenommen. So was vergaß man nicht.
Der Patient Isaac Kane war Calazo auf eigenes Verlangen zugeteilt worden, und zwar hatte dieser seinen Wunsch so begründet: Sein Neffe sei geistig behindert, und er glaube sich auf den Umgang mit solchen jungen Menschen zu verstehen. Calazo hatte drei verheiratete Töchter, und wenn er gelegentlich bei seinen Schwiegersöhnen zum Essen eingeladen war, betrachtete er sie mit einem Anflug von Enttäuschung — allesamt geborene Verlierer, nicht ein einziger Polizist dabei.
Das erste Zusammentreffen mit Kane verlief einigermaßen zufriedenstellend. Calazo verbrachte ungefähr drei Stunden bei ihm im Gemeindezentrum, bewunderte seine Bilder und redete ungezwungen über dies und das. Hin und wieder flocht er eine Frage über Ellerbee ein, und Kane antwortete darauf spontan. Das Thema beunruhigte ihn augenscheinlich überhaupt nicht. Calazo erfuhr so, was schon Delaney und Boone von Kane gehört hatten, und das war nicht gerade viel.
Erst als Calazo ihn fragte, was er denn an jenem Freitagabend so getrieben habe, wurde der Junge unruhig.
»Es war ein Freitag, Isaac. Was hat du da abends gemacht?«
»Ich war hier bis zum Schluss. Da können Sie Mrs. Freylinghausen fragen.«
»Mache ich. Aber hinterher? Nachdem hier geschlossen wurde?«
»Bin ich nach Hause gegangen.«
»Aha. Dann warst du also kurz nach neun da, denn du wohnst ja gleich um die Ecke?
Kane blickte nicht von seinem Bild auf; er versah soeben einen Baum mit Blättern.
»Kann auch später gewesen sein, ich bin noch ein bisschen rumgelaufen.«
»Es hat aber doch gegossen wie verrückt! Da geht doch kein Mensch spazieren?«
»Ich weiß nicht mehr.« Kane brach ärgerlich seine Kreide in Stücke und warf sie weg. »Weshalb fragen Sie mich dauernd was? Ich sage nichts mehr. Sie wollen bloß …«, und er begann zu stottern.
»Immer sachte, mein Junge. Wenn du nicht willst, brauchst du nicht zu antworten. Ich dachte bloß, du willst uns helfen, den Mörder von Doktor Ellerbee zu finden.«
Kane schwieg.
»Ich habe Hunger«, wechselte Calazo das Thema. »Du nicht auch? An der Ecke gibt es eine Giftküche, warum hole ich uns nicht was zu essen?«
»Meinetwegen«, stimmte Kane zu. Calazo besorgte Buletten, Pommes frites und Kaffee, und sie aßen miteinander. Eine alte Frau
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