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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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näherte sich ihnen im Rollstuhl und betrachtete gierig die Pappteller. Calazo schenkte ihr eine Bulette und sprach wohlweislich nicht mehr von Ellerbee, sondern fragte Kane, weshalb er denn immer nur Landschaften male?
    »Landschaften sind schön. So sauber und friedlich. Nicht so wie hier.«
    »Ja, das stimmt. Aber Menschen sehe ich da keine.«
    »Nein, da sollen auch keine sein.« Kane schüttelte entschieden den Kopf. »Die gehören bloß mir.«
    Auf Befragen bestätigte Mrs. Freylinghausen, dass Kane täglich ins Zentrum kam und bis zur Schließung blieb, also bis 21 Uhr. Calazo bedankte sich für die Auskunft und machte sich auf den Weg zu Kanes Wohnung. Dazu brauchte er selbst bei mäßiger Gehweise nicht mehr als zwei Minuten.
    Kane bewohnte zusammen mit seiner Mutter eine Kellerwohnung in einem verkommenen Mietshaus in der 78. Straße. Gleich nebenan war ein Möbellager, das eine mit verrosteten Toren gesicherte Einfahrt für Lastwagen hatte. Die hochgelegenen Fenster waren total verdreckt. Beide Gebäude waren mit Graffiti beschmiert, und Müllbeutel aus schwarzem Plastik waren an den Zugängen aufgehäuft. Manche waren geplatzt oder aufgeschlitzt. Calazo begriff sehr gut, weshalb es Kane drängte, nur saubere, natürliche Landschaften zu malen, reinlich und friedlich.
    Er nahm vorsichtig die drei Stufen, die nach unten führten. Auf der Türschwelle lag Unrat, der Name neben der Klingel war fast unleserlich. Er drückte auf den Knopf und wartete. Nichts. Er klingelte noch einmal, länger anhaltend diesmal. Hinter einer verschmierten Fensterscheibe wurde ein Gardinenfetzen zur Seite gerissen, und ein fast fratzenhaftes Gesicht blickte ihn an.
    Calazo hielt seine Dienstmarke dicht ans Fenster, und die Frau blinzelte. Wieder wartete er. Dann hörte er einen Schlüssel sich im Schloss drehen, eine Kette klirren. Die Tür ging auf.
    »Sind Sie Mrs. Kane?«
    »Ja«, antwortete sie mit belegter Säuferstimme. »Was sollen Sie?«
    Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte er, eine Säuferin!
    »Ich möchte mit Ihnen über Ihren Sohn sprechen.«
    »Ist nicht da.«
    »Das weiß ich«, sagte er geduldig. »Ich habe ihn eben noch im Zentrum gesehen. Ich möchte mit Ihnen über ihn sprechen.«
    »Was hat er denn jetzt wieder angestellt?«
    »Nichts, soweit ich weiß.«
    »Er ist nicht richtig im Kopf. Hat 'nen Jagdschein.«
    Jetzt seien Sie mal so nett und lassen mich rein, hier draußen ist es kalt. Es dauert nicht lange, das verspreche ich Ihnen. « Sie ließ ihn widerwillig ein. Er machte die Tür hinter sich zu und nahm den Hut ab. Es roch hier drinnen wie in einem Pissoir der U-Bahn, bloß dass hier noch Fuseldunst hinzukam. Auf dem Fußboden stand eine halbgeleerte Flasche, daneben ein Stapel Trinkbecher aus Pappe.
    Sie folgte seinem Blick. »Ich bin erkältet Krank bin ich.«
    »Hm.«
    Sie grimassierte, es sollte wohl ein Lächeln sein, ihr Gesicht sah aber bloß aus wie ein eingedrücktes Kissen »Woll´n Sie'n Schluck?«
    »Nein danke. Aber tun Sie sich keinen Zwang an.«
    Sie ließ sich auf einer durchgesessenen Couch nieder, goss ein, trank auch gleich aus, zerdrückte den Becher in der Faust und zielte auf einen alten Papierkorb. Volltreffer.
    »Gut getroffen«, lobte Calazo.
    »Ich hab auch Übung.« Dabei zeigte sie schwärzliche Zahnstummel.
    »Ist Ihr Mann zufällig da?«
    »›Da‹ ist er wahrscheinlich irgendwo. In Hongkong vielleicht. Der Lump. Immer weg mit Schaden.«
    »Dann wohnen Sie hier nur mit Ihrem Sohn?«
    »Na und?«
    »Bekommen Sie Unterstützung?«
    »Von der Wohlfahrt. Einen finanziellen Zuschuss«, sagte sie sehr von oben herab. »Wir haben Anspruch. Ich bin invalide und Isaac erwerbsunfähig. Kommen Sie von der Wohlfahrt?«
    »Von der Kriminalpolizei. Ihr Sohn geht jeden Tag ins Gemeindezentrum?«
    »Glaube schon.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Ist doch volljährig. Kann gehen, wohin er will.«
    »Wann geht er morgens weg?«
    »Weiß nicht. Ich schlafe lange. Wenn ich aufwache, ist er weg. Was soll'n das alles?«
    »Sie sind aber auf, wenn er zurückkommt, nicht wahr? Wann ist das?«
    Sie blinzelte ihn aus zusammengekniffenen Schweinsäuglein an, und er wusste genau: Jetzt überlegt sie, wie sie dich bescheißen kann. Nicht, dass es dafür einen Anlass gegeben hätte, aber diese Frau würde einer wie auch immer gearteten Amtsperson prinzipiell nie die Wahrheit sagen -wenn es sich vermeiden ließ.
    Sie verschaffte sich einen Aufschub, indem sie wieder Fusel eingoss, trank, den Becher

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