Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
sorgfältig seine Unterlagen auf den Tisch legte, öffnete sich eine rückwärtige Pforte. Die Schöffen, zwölf an der Zahl, betraten den Raum und nahmen auf ihren Bänken Platz. Mathis kannte die meisten dieser Herren, die am Ende, unter dem Vorsitz des Richters, das Urteil zu fällen hatten. Es waren alles ehrenwerte, unbescholtene Bürger der Stadt, die wechselweise mal in diesem oder jenem Prozess ihr Amt ausübten. Kaufherren, Gildemeister, heute sogar ein Ratsherr unter ihnen.
Die Wachen begannen, die Zuschauer einzulassen, und es wurde laut. Sie versuchten, den Leuten Plätze zuzuweisen, doch der Andrang war so groß, dass sie von der Menge fast überrannt wurden. Am Ende mussten sie die Hellebarden kreuzen, um weiteren Zutritt zu verwehren. Die Letzten mussten sich mit Stehplätzen begnügen.
Endlich schlossen sich die Saaltüren, und der Stimmenlärm ebbte zu einem stetigen Raunen ab, unterbrochen von Hüsteln und Füßescharren. Neugierige Augen, erwartungsvolle Mienen und Getuschel hinter vorgehaltener Hand. Die üblichen Zaungäste bei solchen Verhandlungen, gierig nach Aufruhr und Skandal, nach Entblößung, Scham und Erniedrigung.
Wenn für viele Anwälte der Gerichtssaal eine Bühne war, auf der sie sich austoben und mit den Gefühlen der Meute spielen konnten, so war dies für von Homburg nur ein Gräuel. Nicht der plumpe Keulenschwung war seine Stärke, sondern das feine Degengefecht des Verstandes, die schöpferische Auslegung von Gesetz und Überlieferung. Hier zahlte sich sein gewissenhaftes Wühlen in alten Akten aus, seine Fähigkeit, auch die kleinste Schwachstelle der Gegenseite unerbittlich zu seinem Vorteil zu nutzen.
Neben ihm saß Agnes Imhoff steif und aufrecht da. Sie würdigte Charman keines Blickes. Auch die Menge beachtete sie nicht. Sie bot einen ruhigen und gefassten Eindruck, doch ihre Hände verrieten ihre innere Erregung. So fest verschränkt lagen sie auf dem Schoß, dass die Knöchel weiß hervorschimmerten.
Nun wurde der ehrwürdige Richter des Rates zu Köln angekündigt, Dr. Hieronymus Hauser. Alles erhob sich. Hauser betrat in schwarzem Talar und Barett den Saal, ließ sich hinter seinem Pult nieder, ordnete die Robe und schlug die mitgebrachte Akte auf.
»Verdammt kalt hier drin«, sagte er und befahl dem Gerichtsdiener, ordentlich Holz nachzulegen. »Heute verhandeln wir Charman versus Imhoff. Die Sitzung ist eröffnet.«
Seine Augen wanderten kurz über die Zuschauer, streiften Bellendorf und blieben schließlich auf von Homburg haften. Unter diesem kühlen Blick zog sich Mathis der Magen zusammen.
»Die Klageschrift haben wir alle erhalten, nicht wahr?«, sagte Hauser. »Ich bitte also, die Klage mündlich zu erläutern.«
Bellendorf erhob sich behänder, als man ihm bei seiner Statur zugetraut hätte.
»Hohes Gericht.« Er legte eine Hand an die Hüfte, verneigte sich höfisch gegenüber dem Richterpult und noch einmal vor den Schöffen. Dann stellte er sich in Pose.
»Wir sind den weiten Weg nach Köln gekommen, mein Mandant Richard Charman und ich, in der Hoffnung … nein, was sage ich … in der Zuversicht, hier Gerechtigkeit zu finden.«
Der Mann hatte eine tiefe, wohltönende Stimme, die er gut zu gebrauchen wusste. Er sprach langsam, wohl auch um dem Schreiber Gelegenheit zu geben, alles, wie es sich gehörte, mitzuschreiben. Nun trat er dicht an die Schöffen heran, sah dem einen oder anderen tief betrübt in die Augen.
»Wir suchen Genugtuung, denn meinem Mandanten, einem ehrlichen Kaufmann, hier in Köln im Übrigen gut bekannt, ist ein perfides Unrecht angetan worden.« Er hob seine Stimme. »Ein gemeiner Betrug von ungeheuren und für meinen Mandanten geradezu verhängnisvollen Ausmaßen.«
Mathis von Homburg verzog verächtlich die Mundwinkel. Dieser Bellendorf war unter der Zunft der Advokaten genau die Art gespreizter Schausteller, die er verachtete.
»Aber wir sind guten Mutes.« Bellendorf lächelte treuherzig. »Denn wie wir die gerechtigkeitsliebenden Bürger dieser Stadt kennen, wird meinem Mandanten der erlittene Schaden gewiss unverzüglich ersetzt werden, sobald das Hohe Gericht von den infamen Einzelheiten des Betruges Kenntnis erlangt.«
»Dann legt mal gleich los, Magister Bellendorf, und lasst die salbungsvollen Reden«, ließ Richter Hauser ungeduldig vernehmen. »Wir haben keine Zeit zu vertrödeln.«
Bellendorf zog unmutig die Stirn in Falten. Aber nur einen Augenblick lang. Dann lächelte er wieder.
»Natürlich, Hoher
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