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Die vierte Zeugin

Die vierte Zeugin

Titel: Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja u.a. Kinkel , Oliver Pötzsch , Martina André , Peter Prange , Titus Müller , Heike Koschyk , Lena Falkenhagen , Alf Leue , Caren Benedikt , Ulf Schiewe , Marlene Klaus , Katrin Burseg
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wollten.
    Von Homburg schloss die Tür auf und ärgerte sich, dass er wie so oft der Erste in der Kanzlei war. Hatte Augustin verschlafen? Die Räume lagen in dämmrigem Halbdunkel. Wo zum Teufel hatten sie wieder die Zunderbüchse versteckt? Schließlich fand er sie auf dem Kaminsims, wo sie eigentlich immer lag. Mit seinen schlechten Augen und den Händen steif vor Kälte hantierte er unbeholfen mit Stahl und Feuerstein, bis es ihm endlich gelang, den Zunder zu entfachen und eine Kerze anzuzünden.
    Mit den Augengläsern in der Hand begann er, alle Aufzeichnungen und Dokumente des Falls in seine abgewetzte Ledertasche zu stecken. Dann setzte er sich, immer noch in Mantel und Schal gehüllt, auf seinen Stuhl, schob die Hände zum Wärmen in die Ärmel und dachte nach.
    Wie immer vor einer Verhandlung versuchte er sich in den Anwalt der Gegenseite zu versetzen. Dieser Helmbert Bellendorf lebte seit Jahren in England. Er war vor Tagen angereist und hatte sich im feinsten Gasthof der Stadt einquartiert. Ein viel gerühmter Anwalt mit einem gewissen Ruf von Gerissenheit. Mehr hatte er bei den Kölner Kaufleuten, die Verbindungen nach London hatten, nicht herausfinden können.
    Von Homburg hatte Agnes noch einmal eindringlich befragt. Sogar Leute, die im Imhoff’schen Kontor und Lager beschäftigt gewesen waren. Sie hatte sich dort nie sehen lassen, was für ihre Beteuerung sprach, nichts mit Andreas’ Geschäften zu tun gehabt zu haben. Eigentlich war die Sache also klar, und die Klage war abzuweisen. Warum aber war dann ein berühmter Anwalt wie Bellendorf hier? Was hatte der in der Tasche?
    Den
Kardinal
natürlich. Und der verdammte Richter hatte seinerseits ihn, Mathis von Homburg, höchstpeinlich in der Zwickmühle. Ihn, der sich immer so viel auf seine Unbestechlichkeit eingebildet hatte. Der Gedanke an Hausers Drohung traf ihn jedes Mal wieder wie ein Schlag in die Magengrube.
    In der Schreibstube rumorte es, und kurz darauf steckte Augustin ein verschlafenes Gesicht durch die Tür.
    »Ihr seid schon auf?«
    »Wie du siehst«, antworte Mathis ungehalten.
    »Heute geht’s in die Schlacht, Meister«, erwiderte Augustin fröhlich und machte sich an der Ledertasche zu schaffen.
    »Was machst du da?«
    »Ich sehe nach, ob wir nichts vergessen haben.«
    »Ist schon gut.« Mathis wollte ihm die Tasche abnehmen.
    »Es fehlt das Gutachten«, rief Augustin erschrocken. »Habt Ihr es wieder zurückgelegt, Meister?«
    »Ich?«
    »Macht nichts, ich hol es schnell.«
    Augustin verschwand in Richtung Archiv.
    »Ja, hol nur das verdammte Gutachten. Es nützt ja ohnehin nichts«, murmelte Mathis und hängte sich seinen schwarzen Talar um die Schultern. Auf in die Schlacht? Wohl eher auf die Schlachtbank. Gleich wie es ausging, er kam sich schon geschlagen vor.

    Der Domhof grenzte an die Südflanke des Doms. In den umliegenden Gebäuden waren Bereiche der kirchlichen und weltlichen Magistratur untergebracht. So auch das Ratsgericht, wo sämtliche
causae minores
verhandelt wurden. Also alles außer Verbrechen, die mit Tod oder Verstümmelung geahndet wurden und dem Blutgericht vorbehalten waren.
    Agnes Imhoff wartete bereits. Sie war in Begleitung ihrer Magd und eines kleinen Mädchens.
    »Meine Tochter Sophie.« Ihre Stimme klang angespannt. Sie war in einen dunklen Umhang gehüllt, dessen Kapuze ihr bleiches Gesicht halb verdeckte. Sie sah übernächtigt aus.
    »Das Kind darf nicht in den Saal«, sagte Mathis.
    »Ich weiß. Stingin bringt sie gleich nach Hause.«
    Die kleine Sophie trug eine warme Haube, unter der blonde Locken hervorlugten. Sie kam Mathis recht schmächtig vor. Das Gesichtchen schien nur aus Augen und blassen Sommersprossen zu bestehen. Schüchtern an die Mutter geschmiegt, sah sie neugierig zu den Männern auf, von denen besonders Augustin es ihr angetan zu haben schien. Der erwiderte den ernsten Kinderblick mit einem Lächeln, beugte sich zu ihr hinunter und fasste ihr sanft ans Kinn.
    »Keine Sorge, Sophie. Deine Mama hat nichts zu befürchten. Bald ist sie wieder daheim.«
    Agnes warf ihm einen dankbaren Blick zu. »Ich hoffe, Ihr habt Recht, junger Herr«, sagte sie und bemühte sich um ein Lächeln.
    Der Domhof füllte sich mit Leuten, von denen viele unverhohlen auf die kleine Gruppe um Agnes Imhoff starrten und miteinander tuschelten.
    Mathis räusperte sich umständlich. »Heute geht es in der Hauptsache um die
editio actionis,
Frau Imhoff, die schriftliche und mündliche Einreichung der Klage und

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