Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
Handvoll Silber wäre nicht schlecht«, erwiderte er. »Genug, damit ich mich aus dem Staub machen kann, falls Ihr so dumm seid, mich an wen auch immer zu verraten.«
»Du hast doch schon alles der Ursel ausgeplaudert, also was macht es für einen Unterschied, wenn du nun auch mir davon erzählst?«
»Bei Ursel war ich betrunken, und ich könnte es leicht als Erfindung hinstellen. Bei Euch bin ich nüchtern, und bei Gott dem Allmächtigen, was hab’ ich für eine Ahnung, was Ihr mit diesem Wissen zu tun gedenkt?«
»Erzähl mir alles, und ich verspreche dir, gegenüber meinem Mann striktes Stillschweigen zu bewahren, was unsere Zusammenkunft und alles andere betrifft.«
»Erst das Geld«, forderte Clewin und streckte seine schwielige Hand aus.
»Ich habe nur fünf Silbergroschen dabei, die ich dir sofort geben kann. Mehr ist im Moment nicht zu holen.«
Clewin nickte bedächtig. »Nun gut«, sagte er, als Agnes das Geld aus ihrem Samtbeutel kramte und es ihm mit zitternder Hand entgegenstreckte. Ohne Umschweife nahm er die Münzen an sich und steckte sie hastig in seine Jackentasche. Danach bot er ihr einen Platz und sogar einen Becher mit Bier an. Nachdem sie den Platz dankend angenommen, aber das Bier abgelehnt hatte, griff er nach dem Krug und schenkte sich selbst ein. Er nahm einen kräftigen Schluck und begann erst zögernd, doch dann immer flüssiger von jenem Tag zu berichten, als Andreas ihm ein glänzendes Geschäft vorgeschlagen hatte.
»›Dieser Richard Charman‹, hat Euer Mann getönt, ›ist ein reicher Sack, der den lieben langen Tag nichts anderes tut, als ehrlichen Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.‹ Sein Plan war tatsächlich, die Tuche des englischen Händlers gegen minderwertige Ware auszutauschen, diese dann mit Brackwasser zu übergießen, damit sie stockten und man vor lauter Flecken das Muster nicht mehr erkennen konnte, um somit den Schwindel zu verschleiern.«
»Wie konnte er nur auf eine solche Idee kommen?« Agnes war ehrlich entsetzt. »Und warum hast du seinem Vorschlag so willfährig zugestimmt?«
»Na ja …«, antwortete Clewin zögernd. »Es war nicht nur das Geld, das mich gelockt hat. Ich bewunderte Euren Mann für seine Gerissenheit, vor allem aber war ich ihm dankbar, dass er mich in dieser Angelegenheit als gleichwertigen Partner behandelt hat.«
Agnes war nicht fähig, etwas darauf zu erwidern. In ihrem Kopf drehte sich alles.
»So war das«, endete Clewin nach einer Weile und kippte den restlichen Inhalt des Bechers mit einem Zug hinunter.
Agnes war ganz steif vor Angst, weil sie ahnte, dass die Geschichte des griesgrämigen Seemannes der Wahrheit entsprach. Schon lange hatte sie vermutet, dass Andreas zeit seines Lebens nicht nur ehrenwerte Geschäfte gemacht hatte, sondern auch jede Menge unrechtmäßige.
Aber wie üblich hatte er sie nicht in seine üblen Machenschaften eingeweiht, Frauen hatten seiner Meinung nach im Geschäft nichts zu suchen. Sie seien zu redselig und zu gutgläubig, und auch wenn es seltene Ausnahmen gebe, so würden diese Attribute auf Agnes zweifelsfrei zutreffen, wie er des Öfteren betonte. Ihm genügte es völlig, dass sie sein Bett wärmte und – nicht zu vergessen – ihre Schönheit behielt, damit er mit ihr glänzen konnte, wenn sie hin und wieder prunkvolle Festlichkeiten in seinem Namen organisierte. Ab und an verlangte er eine Unterschrift von ihr, doch er erklärte ihr nie, wofür er sie benötigte. So konnte sie allenfalls rätseln, was er gerade wieder im Schilde führte. Und wenn sie ehrlich war, interessierte sie sich auch nicht besonders für die Vorgänge im Kontor. Lieber kümmerte sie sich um Sophie und repräsentierte, wenn auch eher notgedrungen, ihren gemeinsamen Erfolg und ihre Redlichkeit bei offiziellen Anlässen, zu denen sie als Geldadel von Köln geladen waren.
»Danke«, flüsterte sie mit belegter Stimme und begab sich mit weichen Knien nach draußen auf die nächtliche Straße. Schweren Herzens eilte sie nach Hause …
Jetzt im Nachhinein dachte sich Agnes, dass sie Clewin damals einen wahrhaft stolzen Preis gezahlt hatte, nur um sich bestätigen zu lassen, was sie ohnehin schon wusste. Im Augenblick besaß sie nicht einmal mehr fünf Silberlinge. Seit Andreas gestorben war, war bis auf die Pacht aus dem Wirtshaus kein Verdienst reingekommen, und mit dem Prozess, den Charman gegen sie angestrengt hatte, sah ihre Zukunft nicht gerade rosig aus. Sie war auf die beiden Häuser, die ihr Mann ihr
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