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Die vierzig Tage des Musa Dagh

Die vierzig Tage des Musa Dagh

Titel: Die vierzig Tage des Musa Dagh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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scharfen Kreuzverhören unterzogen und schließlich als Hochverräter und als Mitglied einer staatsumstürzenden Verschwörung in das Gefängnis von Osmanije geworfen. Da man auch bei weiteren Versuchen nichts über die geheime Organisation der armenischen Verratsbewegung aus ihm herausbekommen konnte, ja nicht einmal etwas über die Deserteure von Zeitun erfuhr, verabreichte man ihm die Bastonade schärfsten Grades. Nachher wurden seine blutigen Füße mit einer ätzenden Säure übergossen. Dem war sein Körper nicht mehr gewachsen. Er starb nach einer Stunde unfaßbarer Qual. Vor den Fenstern des Gefängnisses spielte Janitscharenmusik. Sie sollte mit Trommeln und Pfeifen die Schreie der Gefolterten hinter den Fenstern zudecken.
    Auch der Märtyrertod des Nazareth Tschausch hatte nicht die erwarteten Folgen. Es geschah vorerst nichts. Nur die Trauer und dumpfe Verzweiflung des Volkes nahm eine fast stoffliche Greifbarkeit an. In der finsteren Bergstadt brütete nun auch menschliche Finsternis, die den Atem verschlug wie schwarzer Nebel. Der März mußte kommen, damit zwei Vorkommnisse der Regierung endlich die Gelegenheit gaben, ihre Absichten zu verwirklichen. Das erste Geschehnis war ein Schuß aus dem Fenster. Ein Gendarmerieposten, der in dem Stadtbezirk Yeni Dünya vor dem Hause des hingemordeten Muchtars Tschausch vorbeischritt, wurde aus eben diesem Hause beschossen und leicht verwundet. Anstatt nun eine regelrechte Untersuchung durchzuführen, erklärte der Kaimakam lediglich, sein Leben sei in Zeitun bedroht, und verlegte, nach allen Richtungen Telegramme sendend, seine Residenz in eine außerhalb der Stadt gelegene Kaserne. Auch diese Handlungsweise entsprang deutlich seinem Wesen, das aus Dummschlauheit und ängstlichem Ruhebedürfnis gemengt war. Zugleich ließ er zum Schutze der mohammedanischen Bevölkerung eine »Bürgerwehr« ausrüsten, das heißt einige rasch zusammengetrommelte Hooligans bekamen ganz nach abdulhamidischem Muster je eine grüne Binde um den Arm und ein Mausergewehr in die Hand geliefert. Die guten türkischen Bürger, die in Zeitun lebten, rechtlich-würdige Menschen, waren die ersten, die sich über diesen Schutz empörten, den man ihnen angedeihen ließ. Sie gingen zum Kaimakam und forderten die sofortige Abschaffung der Wache. Es half nichts. Die Behörde war unerbittlich um ihre Sicherheit besorgt. Die Bürgerwehr gab nun endlich den sauberen Anlaß für jenen zweiten Vorfall, der die Entscheidung brachte. In einem kleinen öffentlichen Garten der Neustadt, Eski Bostan genannt, pflegten sich am Nachmittag armenische Frauen und Mädchen gerne zu ergehen. Um einen schönen Brunnen standen ein paar Bänke im Schatten alter Platanen. Kinder spielten vor dem Brunnen. Die Frauen plauderten und handarbeiteten auf den Bänken. Ein Scherbetverkäufer schob seinen Wagen im Kreis. Dieser Garten wurde nun von den verlumptesten Mitgliedern der neuen Bürgerwehr überfallen. Die keuchenden Gesellen warfen sich auf die Armenierinnen, würgten sie und begannen ihnen die Kleider vom Leibe zu reißen. Denn ebensogroß wie die Mordlust an den Männern der verfluchten Rasse war die Tollheit nach ihren Weibern, diesen zartgliedrigen Geschöpfen mit ihren schwellenden Lippen und ihren fremden Augen. Wehgekreisch und Kinderschrillen erfüllte die Luft. Doch im Nu war Hilfe da. Eine Übermacht von armenischen Männern, die, Böses ahnend, den Stadtschützlern nachgeschlichen waren, schlug sie mit nackten Fäusten, Riemen und Stöcken krumm und lahm und nahm ihnen, zum eigenen Verderben freilich, sämtliche Gewehre und Bajonette ab.
    Offener Aufruhr gegen die Staatsgewalt! Der Tatbestand ließ sich nach dieser Entwaffnung der Hilfspolizei durch Aufständische nicht mehr leugnen. Noch am selben Abend wurde vom Kaimakam eine Auslieferungsliste herausgegeben, in der all diejenigen Einwohner namentlich angeführt waren, welche vom Gemeinderat selbsttätig der verhaftenden Behörde zuzuführen seien. In ihrer rasenden Erbitterung traten die betroffenen Männer zusammen, taten einen großen Schwur und verschanzten sich in einem alten Tekkeh, in einem verlassenen Derwisch- und Wallfahrtskloster, eine halbe Stunde östlich der Stadt. Als ihnen davon die Kunde ward, stieg vom Ala Kaja und andern Punkten des nahen Gebirges ein Teil der Deserteure nieder und vereinigte sich mit den Geflüchteten. In der kleinen Festung lagen alles in allem ungefähr hundert Mann.
    Der Mutessarif in Marasch und die

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