Die Vinetaner - Rusana
hindurch mit Pfeilen, Bolzen, Kugeln und Brandsätzen attackieren.
Mit dem Mut der Verzweiflung verließen Rusana und Christian die kleine Festung, überquerten wachsam die Wiese und tauchten in den Wald ein. Irgendwie würden sie es bis in die Stadt schaffen und allen Gefahren trotzen.
13. Egbert
Es dauerte keine zwei Stunden, bis Rusana die Gefahr spürte. Ein warnendes Prickeln lief über ihre Haut und die feinen Härchen ihrer Arme richteten sich auf. Sie wandte sich um und blickte den Weg zurück, doch sie sah nur üppige Büsche, Gras und vereinzelt stehende Bäume. Den Wald hatten sie längst hinter sich gelassen.
„Was ist los?“, fragte Christian angespannt, während er ihrem Blick folgte.
„Ich glaube, er kommt.“
„Der Budara?“
Rusana nickte und sah sich fieberhaft um. Wenn sie alleine gewesen wäre, hätte sie dem Budara entkommen können, aber Chris war zu langsam. Also würden sie den Kampf jetzt austragen müssen.
„Geh hinter dem Baum dort in Deckung und versuch, die Augen und die Schnauze des Budaras zu treffen.“
„Und was machst du?“
Rusana griff nach seinem Speer, sodass sie nun beide Provisorien in ihren Händen hielt.
„Ich verstecke mich hinter einem anderen Baum und greife ihn hiermit an.“ Sie hielt die Speere hoch. „Ich bin schneller als du und kann dem Budara ausweichen. Du bleibst auf Abstand und schießt.“
Christian gefiel Rusanas Plan nicht, doch er hatte keine Zeit zu protestieren. Nicht weit entfernt von ihnen trat das massige Raubtier hinter Büschen hervor, richtete sich auf und knurrte wütend. Das rechte Auge des Budaras war mit Blut verklebt.
„Ich glaube, verstecken bringt nichts mehr“, meinte Christian nervös. Dennoch hechtete er hinter den vermeintlichen Schutz des Baumes, ebenso wie Rusana.
Seine schweißnassen Hände zitterten, als er die Beretta auf das Untier richtete. Warum nur hatte er nie schießen gelernt?
Das Ungetüm kam näher, und gerade, als Christian feuern wollte, stürmte Rusana mit einem Kampfschrei hinter ihrem Baum hervor. Chris hatte noch nicht mit ihrem Angriff gerechnet und zog entsetzt die Waffe hoch, aus Angst, Rusana zu treffen. Die Kugel verfehlte das Raubtier und verlor sich in der Luft. Dennoch brach der Budara zusammen und schlug, wie ein gefällter Baum, auf dem Boden auf. Völlig perplex stierte Chris auf den zuckenden, massigen Körper des Raubtieres, aus dessen Körper vier lange Bolzen ragten.
„Egbert!“, schrie Rusana in diesem Moment und rannte auf einen Reiter zu, der sich ihnen näherte. Christian folgte Rusana - wobei er einen großen Bogen um den Budara machte - und musterte ihren Retter neugierig. Der Mann sah aus, als sei er einem Piratenfilm entsprungen. Er trug eine schwarze Cargohose, ein weit aufgeknöpftes, weißes Hemd und darüber eine schwarze Weste. Seine langen, dunkelbraunen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, aus denen sich kürzere Strähnen gelöst hatten und in sein markantes, braun gebranntes Gesicht wehten. Am Bemerkenswertesten fand Chris jedoch die tannengrünen Augen. Der Fremde befestigte seine Armbrust an der Seite seines Pferdes und sprang, geschmeidig wie eine Raubkatze, vor Rusana auf den Boden. Sie warf sich lachend in seine Arme und er fing sie auf, drückte sie an sich und drehte sich mit ihr im Kreis.
Wieder einmal keimte Eifersucht in Christian auf, die er jedoch sofort erstickte. Rusana liebte Marco, also konnte dieser Egbert nur ein guter Freund sein - dessen Piratenlook durch ein Schwert, das er auf dem Rücken in einer Scheide trug und dem Messer, das sichtbar am rechten Unterschenkel befestigt war, komplettiert wurde. Ihr Retter setzte Rusana ab und fragte:
„Was machst du hier und wer ist das?“
Rusana griff nach seiner Hand und zog ihn die paar Schritte mit zu Chris.
„Darf ich vorstellen: Christian, das ist Egbert. Er gehört zur Sicherheitsgarde Vinetas und ist der engste Freund meines Bruders. Egbert, das ist Christian, der letzte Nachkomme von Marco.“
„Was?“, fragte Egbert sichtlich überrascht. Er musterte Christian von oben bis unten und schließlich verzog sich sein Mund zu einem Lächeln, das nicht verwegener hätte sein können. Pirat eben, schoss es Christian durch den Kopf. Egbert ergriff seine Hand und schüttelte sie kräftig.
„Es wird auch Zeit, dass dieser elendige Fluch gebrochen wird. Du glaubst gar nicht, was für ein Segen du für unser Volk bist, mein Junge.“
„Das freut mich, aber ich bin bestimmt nicht dein Junge“,
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