Die Vinetaner - Rusana
Ruven.“
„Hoffentlich findet Naku meinen Bruder.“
Rusana befürchtete, dass sich Ruven in den letzten Winkel des Schlosses zurückgezogen haben könnte.
„Keine Sorge. Naku kennt deinen Bruder und er ist klug. Er findet ihn, da bin ich mir sicher.“
Egbert rief Haschu und schwang sich in den Sattel.
„Ich reite vor und werde nachsehen, ob irgendwelche Überraschungen auf uns lauern.“
Bevor der Gardist jedoch davon ritt, reichte er Rusana seine Armbrust sowie Bolzen, damit sie und Christian sich wehren konnten, falls ein weiterer Budara auftauchen sollte. Rusana fühlte sich nun bedeutend sicherer und konnte wieder daran glauben, dass sie und Christian es bis nach Vineta schaffen würden.
14. Rast
Niemand lauerte ihnen auf. Weder Otrunas Leute noch ein wildes Tier. Egbert ritt voran, überzeugte sich, dass der Weg sicher war, und wartete stündlich auf Rusana und Christian, bevor er erneut die Gegend auskundschaftete. Sie durchquerten teils bewaldetes Gebiet und hielten auf eine massive Bergkette zu. Rusana erklärte Christian, dass sich vor den Bergen die Salzsteppe befand und hinter den Bergen die Stadt Vineta, die über einen flachen Pass zu erreichen war. Als sie den von Egbert vorgesehenen Lagerplatz erreichten, war Christian dankbar, dass sich dieser an einem kleinen See befand. Er schaufelte sich das kühle Wasser ins Gesicht und ließ es über seine Arme laufen. In der letzten Stunde war es merklich wärmer geworden. Laut Egbert lag das an der Nähe der Salzsteppe, über der stets eine Temperatur von 40 Grad herrschte. Niemand konnte zufriedenstellend erklären, warum das so war. Die Archäologen und Geologen wussten nur, dass vor der großen Katastrophe das Meer bis weit über die Salzebene hinausgereicht hatte und die Bergkette nicht existierte. Das gesamte Gebiet der Zwischenzone war unvorstellbaren Gewalten ausgesetzt gewesen, die alles zerstörten und das Oberste nach unten gekehrt hatten. Selbst bei Grabungen wurden bisher keine Reste von den Häusern, Bauten oder deren Bewohner gefunden. Einige Wissenschaftler vermuteten, dass sie in eine andere Dimension geschleudert wurden, andere, dass man noch tiefer graben müsste. Mit dem Untergang der Zivilisation in der Zwischenzone wurde auch die uralte Bibliothek der Vinetaner vernichtet, weswegen kaum noch Aufzeichnungen aus der Zeit vor der Katastrophe existierten. Egbert berichtete, dass es aus Sicherheitsgründen eine zweite Bibliothek gegeben haben soll, diese jedoch noch nicht gefunden wurde. Allerdings wurde fieberhaft nach ihr gesucht, denn man hoffte auf Informationen über die Erbauer der Übergänge sowie über die Schriften und die Geschichte der Malusianer.
Nahe dem See stand eine Hütte, die zwar aus demselben Material gebaut war wie die kleine Festung, in der Rusana und Christian Schutz gefunden hatten, aber neben einem provisorischen Badezimmer gab es nur einen Raum, der mit einem Bett, einem Schrank und einem Tischchen mit Stuhl ausgestattet war. Der Schutzzaun um die Hütte fehlte und Wasser musste aus einem Bach geholt werden, der in den See floss. Christian wunderte sich über die fehlende Barriere, hinter der auch der Hengst bei einem Angriff durch einen Budara sicher gewesen wäre, und fragte Egbert nach dem Grund.
„Diese Kate gehört nicht zu den Schutzhütten und liegt auch nicht auf dem direkten Weg vom Übergang zur Stadt Vineta, denn wir haben einen kleinen Umweg gemacht. Außerdem meiden die Budaras die Nähe der Salzsteppe, da sie die drückende Wärme nicht gut vertragen. Errichtet wurde diese Hütte von einem Mann, der des Lebens überdrüssig war. Er suchte hier draußen nach Seelenfrieden und ich hoffe für ihn, dass er ihn vor seinem Tod gefunden hat.“
„Wie alt war der Mann, als er sich hierher zurückzog?“
Egbert, der während des Erzählens Haschu absattelte, hielt inne, stieß einen langen Seufzer aus und warf einen Blick zu Rusana, die ein Stück von ihnen entfernt im See schwamm. Christian bemühte sich, nicht in ihre Richtung zu sehen, denn die Frau seiner Träume badete völlig nackt, und allein der Gedanke daran genügte, um ihn zu erregen. Also starrte er auf den Boden, hob einen dornigen Ast auf und lehnte sich gegen die Hütte - mit dem Rücken zum See. Er wartete auf Egberts Antwort, der abwesend wirkte.
„Der Mann hieß Samuel“, fuhr dieser schließlich fort. „Er hat hier nur zwei Jahre gelebt und starb mit neunhundertachtundneunzig Jahren. Er hatte also erst die Hälfte seines
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