Die Violine des Teufels
nach Mitternacht ertönten mehrere angstvolle Schreie, die eher nach Tier als nach Mensch klangen und die Polizisten aus der Lethargie rissen, in die die nicht enden wollende Wartezeit mit ihrem ungewissen Ausgang sie versetzt hatte.
Als sie hochsahen, erblickten sie einen Mann, den Perdomo unschwer als Roskopf erkannte, verzweifelt in ihre Richtung rennen. Sein Gesicht war von Panik verzerrt, und er blickte immer wieder hinter sich. Offenbar flüchtete er vor irgendetwas.
Da er ihnen mit seinem Körper die Sicht auf den Verfolger versperrte, stieg Perdomo hastig aus, den Revolver in der Hand, gerade rechtzeitig, um die letzten Meter dieser, wie sich erweisen sollte, tödlichen Jagd mit anzusehen.
Roskopf flüchtete vor einem Hund.
Vor ebenjenem teuflischen Tier, das ihm selbst in der Nacht, in der er mit Milagros das Auditorio besucht hatte, beinahe an die Kehle gegangen wäre. Wütend verfolgte das Tier nun seine neue Beute und hatte sie fast erreicht. Die Geschwindigkeit des Hundes war erstaunlich, und dies im Verein mit seinem beträchtlichen Gewicht würde ihn zu einem regelrechten lebenden Geschoss machen. Perdomo erkannte, dass Roskopf, sollte der Hund ihn erreichen, schon allein durch den Sturz schwere Verletzungen davontragen könnte.
Die Augen der Bestie glühten in der Dunkelheit. Gerade als sie zum Sprung auf Roskopf ansetzte, gab Perdomo einen Schuss ab, und der Hund flog in die Luft, als wäre er auf eine Mine getreten. Er stieß ein grauenvolles Heulen aus, dann stürzte er zu Boden und blieb liegen. Um ihn herum bildete sich rasch eine Blutlache, während er vor Schmerzen und Wut zuckte, roten Schaum vorm Maul. Doch sein Todeskampf dauerte nicht lange, denn Villanueva gab ihm den Gnadenschuss.
Roskopf rannte noch einige Meter weiter, als hätte er nicht bemerkt, dass das Tier ihm nicht mehr folgte. Dann ging ihm allmählich die Puste aus, und schließlich blieb er stehen. Er presste die Hände auf die Brust, stöhnte jämmerlich auf und stürzte wie vom Blitz getroffen zu Boden.
Perdomo und Villanueva rannten hastig zu ihm, um ihm zu helfen, doch Roskopf, das Gesicht noch immer von Panik verzerrt, war bereits mehr tot als lebendig.
»Wo ist die Geige?«, fragte Perdomo, als ihm auffiel, dass Roskopf sie nicht bei sich hatte.
Doch der antwortete nicht. Ehe er für immer die Augen schloss, murmelte er nur noch: »Sie … wäre sowieso gestorben.«
50
I st dir klar, dass ich dir so richtig die Hölle heißmachen könnte für das, was du dir da vor dem Auditorio geleistet hast?«
Comisario Galdón, der sich stets damit brüstete, dass er jeden noch so kleinen Schritt seiner über hundert Mitarbeiter bei den vier Abteilungen der UDEV unter Kontrolle hatte, hatte Perdomo um acht Uhr morgens in sein Büro zitiert, um sich von ihm über die Ereignisse der vergangenen Nacht Bericht erstatten zu lassen. Er hatte den Inspector auf dem Besucherstuhl Platz nehmen lassen und ging in seinem Rücken schnaubend auf und ab, als würde er einen Mordverdächtigen vernehmen und nicht von einem Untergebenen Erklärungen einfordern. Es ärgerte ihn maßlos, dass Perdomo eine Operation von solcher Tragweite durchgeführt hatte, ohne ihn zuvor zu informieren.
»Und obendrein ist ein Mensch zu Tode gekommen, verdammt!«
»Und ein Hund«, erinnerte ihn Perdomo. Die Bemerkung hatte nicht spöttisch klingen sollen, aber sie verärgerte den Comisario nur noch mehr.
»Nimm das bloß nicht auf die leichte Schulter! Weißt du, dass mich der Minister heute schon zwei Mal angerufen hat? Zwei Mal! Das erste Mal um sieben Uhr früh, nachdem er im Radio von der Sache gehört hatte. Und jetzt gerade noch einmal, vor zehn Minuten. Er ist ganz wild darauf, im Fernsehen aufzutreten und zu verkünden, dass wir das Verbrechen aufgeklärt haben! Und jetzt kommst du an und erzählst mir, dass du zu allem Übel den Mord an Ane Larrazábal noch gar nicht aufgeklärt hast!«
»Ja und nein«, sagte Perdomo. »Roskopf war ganz offensichtlich der unmittelbare Täter. Sonst wäre er nicht zu dieser Verabredung erschienen. Aber wir haben gestern Nacht noch seine Wohnung durchsucht, da war keine Spur von der Geige.«
»Und was soll das beweisen? Er könnte sie verkauft oder woanders versteckt haben.«
»Sicher. Und außerdem habe ich einen Verdacht, wie die Geige aus dem Auditorio gelangt sein könnte: versteckt im Schalltrichter der Tuba! Roskopf war der einzige Musiker, der die Stradivari in seinem eigenen Instrument versteckt
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