Die Violine des Teufels
scheinen alles über dieses Instrument zu wissen«, sagte Perdomo mit aufrichtiger Bewunderung.
»Ich bin zwar Dirigent, aber auch ausgebildeter Geiger«, erklärte Lledó und warf sich vor seinem Kollegen in die Brust. »Im sechzehnten Jahrhundert fingen die Bauern an, die Geige, die die Vertreter der Gegenreformation für unmoralisch und obszön hielten, bei ihren Festen einzusetzen. Daher rührt die Verknüpfung mit dem Teufel. Und schon lange vor Paganini zirkulierten Geschichten über die eigentümlichen Fähigkeiten mancher Geiger.«
»Zum Beispiel?«
»Thomas Baltzar, ein deutscher Virtuose des sechzehnten Jahrhunderts. Es wird erzählt, nach einem besonders aufsehenerregenden Auftritt mit seinem Instrument habe sich ein Musiklehrer, der sich im Publikum befand, gebückt und seine Füße berührt, um sich zu vergewissern, dass er keine Bocksfüße hatte wie der Teufel. Der Mann konnte einfach nicht fassen, dass ein Mensch dem Instrument solche Töne entlocken konnte.«
Auch Maestro Agostini fühlte sich nun veranlasst, dem Inspector weitere Informationen zum Thema zu liefern, und führte eine Legende um seinen Landsmann Giuseppe Tartini an: »Er war ein Geiger des achtzehnten Jahrhunderts, der die sogenannte Teufelstrillersonate schrieb. Das Werk ist so teuflisch schwierig, dass manche auf den Gedanken kamen, Tartini habe sie nur spielen können, weil er an der linken Hand sechs Finger gehabt habe.«
Da wurden sie von Beamten des Morddezernats der Unidad de Delincuencia Especializada y Violenta, kurz UDEV, unterbrochen, einer zur gesamtspanischen Polizei gehörenden Eliteeinheit der Kriminalpolizei, die sich mit der Aufklärung besonders komplizierter oder solcher Fälle befasst, von denen man annahm, sie könnten eine besondere gesellschaftliche Bedeutung besitzen. Die Ermittler, die praktisch zur gleichen Zeit eintrafen wie der Funkstreifenwagen der Policía Nacional, standen unter der Leitung von Inspector Manuel Salvador, der gerade erst vom Rauschgift- zum Morddezernat gewechselt hatte und auf Grund seines wichtigtuerischen und anmaßenden Auftretens schon mit Perdomo aneinandergeraten war.
Salvador, der sich wie üblich die Jacke bloß über die Schultern gelegt hatte, trat zu Perdomo und fragte ihn, als wären die beiden Dirigenten gar nicht da: »Was wollen diese Leute hier?«
Perdomo erklärte, wer die Musiker waren und dass er selbst auf Grund seines Konzertbesuchs als erster Polizist am Tatort gewesen sei. Sein Kollege blaffte zurück: »Wie kommst du dazu, hier wildfremde Leute herumlaufen zu lassen, verdammt?«
»Niemand hat irgendetwas angerührt, das kann ich dir versichern«, erklärte Perdomo.
Erst jetzt sprach Inspector Salvador die beiden Dirigenten persönlich an und sagte in schneidendem Ton: »Meine Herren, ich muss Sie bitten, den Raum sofort zu verlassen. Subinspector, begleiten Sie sie aus dem Saal und nehmen Sie ihre Personalien auf für den Fall, dass ich oder der Richter später mit ihnen reden müssen.«
Dann wandte er sich wieder Perdomo zu.
»Ich leite diese Ermittlungen, Perdomo. Wenn du also sonst nichts zu sagen hast, geh doch einfach durch diese Tür, und lass mich in Ruhe meine Arbeit machen.«
Perdomo beschloss, sich vom Tonfall seines Kollegen nicht provozieren zu lassen, und ging in Richtung Ausgang. Doch bevor er den Raum verließ, drehte er sich zu Salvador um und fragte: »Willst du nicht wissen, was das Wort bedeutet, das sie ihr auf die Brust geschrieben haben?«
Salvador nahm die Jacke von der Schulter, durchsuchte die Taschen und zog schließlich ein Päckchen Kaugummis hervor. Er steckte sich eines in den Mund und begann, darauf herumzukauen, ehe er antwortete: »Was soll das schon groß bedeuten, Perdomo? Scheißaraber, oder was?«
7
A ls Inspector Perdomo zurück zu den Garderoben kam, stellte er fest, dass Ane Larrazábals Garderobe bereits versiegelt war und ein Uniformierter die Tür bewachte. In einer der anderen drei den Solisten vorbehaltenen Garderoben stieß Perdomo auf den Tubaspieler Georgy Roskopf, Elena Calderón und seinen Sohn. Gregorio weinte.
»Was ist denn passiert?«, fragte Perdomo und sah fragend den Russen an, da er vermutete, dass Roskopf für Gregorios Tränen verantwortlich war.
Gregorio wollte selbst antworten, doch er konnte einfach nicht aufhören zu schluchzen. Elena nahm ihn in die Arme und antwortete an seiner Stelle.
»Seit er erfahren hat, dass Ane tot ist, ist er untröstlich.«
»Verstehe«, erwiderte Perdomo,
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