Die Violine des Teufels
ist es möglich, dass ich diese Wohnung kaufe, falls Anes Eltern mir einen vernünftigen Preis machen. Nun ja, die Wohnung und alles, was sich darin befindet, und das ist sehr wertvoll. Sehen Sie den Flügel da?«
Der Polizist, der sich unbehaglich fühlte, weil er ständig zu seiner Gesprächspartnerin aufsehen musste, nutzte die Gelegenheit und stand unter dem Vorwand, sich das Instrument ansehen zu wollen, auf. Die Hündin kannte den Flügel wohl zur Genüge, denn sie zog die Möglichkeit, vom gemütlichen Sofa zu springen, um das Klavier zu beschnüffeln, nicht einmal in Erwägung.
»Ane«, setzte Carmen Garralde zu einer Erklärung an, »hatte eine echte Leidenschaft für originale Musikinstrumente und originale Gegenstände, die mit Musik zu tun haben. Dieser Flügel ist das Glanzstück ihrer Sammlung: Er stammt aus dem Jahr 1876, Brahms hat darauf gespielt, und das BBC Symphony Orchestra hat es bei seinen ersten Plattenaufnahmen eingesetzt.«
Beide hatten sie sich mit den Ellbogen auf den geschlossenen Deckel des Flügels gestützt. Nun zog Perdomo Kugelschreiber und Notizbuch aus der Tasche, um seiner Gastgeberin zu bedeuten, dass er mit der Befragung beginnen wolle.
»Welcher Art war Ihre Beziehung zu Ane?«, fragte er im gleichen Ton, in dem er auch nach dem Weg zur Toilette gefragt hätte.
Die Mehrdeutigkeit der Frage irritierte Garralde.
»Wie meinen Sie das?«
»In beruflicher Hinsicht«, präzisierte Perdomo, als wäre ihm die Reaktion seiner Gesprächspartnerin nicht aufgefallen. »Was waren Ihre Aufgaben? Kann man Sie als Agentin, als persönliche Sekretärin bezeichnen?«
»Ich war weit mehr als ihre Agentin, Inspector. Und damit meine ich nicht nur die tiefe persönliche Bindung zwischen uns – die war unleugbar da, denn ich kenne Ane, seit sie ein kleines Mädchen war. Nein, ich meine damit, dass die große Mehrheit der Künstler nicht mit nur einem Agenten arbeitet.«
»Nicht? Und wie funktioniert das System dann?«
Carmen Garralde lächelte, doch es war kein warmes Lächeln, sondern strotzte vor Selbstgefälligkeit.
»Ich zeige Ihnen mal eine Internetseite, dann werden Sie es besser verstehen.«
Sie stellte einen kleinen Laptop auf den Flügel, öffnete einen Browser und klickte eine Seite mit dem Titel »Klassische Musiker: Wer vertritt wen?« an. In einer Spalte auf der linken Seite waren die verschiedenen Kategorien aufgeführt: Komponisten, Tasteninstrumente, Streichinstrumente, Zupfinstrumente, Blechblasinstrumente, Holzblasinstrumente et cetera. Perdomo zählte mehr als zwanzig verschiedene Kategorien. Jede stellte einen Hyperlink dar und führte zu einer weiteren, deutlich umfangreicheren Liste von Musikern mit Vor- und Nachnamen.
Auf der rechten Seite wurden in einem Fenster Musikerporträts gezeigt, die alle paar Sekunden wechselten – völlig unbekannte Gesichter wechselten sich mit echten Stars ab. Im Bereich Violine hätte ein Klassikbegeisterter mühelos die Gesichter von Hilary Hahn, Pinchas Zukerman, Midori und anderen heiligen Kühen dieses Instruments erkennen können.
Carmen Garralde erklärte: »Wenn wir beispielsweise Suntori Goto anklicken, werden Sie sehen, dass der Agent je nach Land wechselt: In Spanien ist es die Agentur Ibermelody, in Italien ist es Gesia, im übrigen Europa Intermúsica. Wenn ein Konzerthaus Suntori, was Gott verhüten möge, nach Spanien holen wollte, müsste es lediglich Ibermelody anklicken und sich per E-Mail mit denen in Kontakt setzen, um Verfügbarkeit und Konditionen der Japanerin in Erfahrung zu bringen. Die Agenten ihrerseits sind in einer internationalen Vereinigung namens IAMA organisiert. Tja, Ane war praktisch die einzige Musikerin weltweit, die bei diesem Durcheinander nicht mitgemacht hat. Ich habe sie weltweit vertreten und bei der IAMA bin ich nie Mitglied geworden, aus dem einfachen Grund, dass keine von uns beiden das nötig hatte.«
Mit einer energischen Handbewegung klappte Carmen Garralde den Laptop wieder zu und ließ ihn ebenso geschwind vom Flügel verschwinden, wie sie ihn zuvor dorthin gestellt hatte. Dann strich sie sich die Haare zurück hinter die Ohren – eine Geste, die kokett wirken sollte – und fuhr fort.
»Außer um ihren Konzertkalender habe ich mich auch um Platten- und Werbeverträge gekümmert.«
Sofort fiel Perdomo die Werbung für Luxusarmbanduhren ein, die er im Programmheft zu Larrazábals Konzert gesehen hatte: Unter einem Foto der Geige spielenden Larrazábal stand der Slogan:
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