Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
Vom Netzwerk:
»Clockers misst die Tempi der großen Virtuosen.«
    »Señora Garralde –«
    »Señorita«, korrigierte sie ihn mit einem sehr selbstironischen Lächeln. »Ich bin alt, aber ich bin immer noch eine Señorita.«
    »Nun, dann Señorita«, stimmte Perdomo zu. »Da Sie ja nicht im Konzertsaal waren, als das Verbrechen begangen wurde, können Sie mir über den Abend der Tat wenig sagen. Warum haben Sie das Konzert nicht besucht?«
    »Die Beine taten mir höllisch weh, und ich bat Ane, mich zu entschuldigen.«
    Perdomo schwieg. Garralde schien großes psychologisches Gespür zu besitzen, denn sie begriff, dass es hier um ihr Alibi ging, und so überraschte sie den Polizisten, indem sie seiner nächsten Frage zuvorkam.
    »Und natürlich möchten Sie wissen, wo ich am Abend des Verbrechens war und ob ich das, wie Sie das bei der Polizei formulieren, beweisen kann.«
    »Sie gehören zum engsten Kreis des Opfers. Meine Vorgesetzten würden ein Disziplinarverfahren gegen mich einleiten, wenn ich in meinem Bericht nicht genau aufführe, wo die Angehörigen und engsten Freunde während der Konzertpause, in der das Verbrechen verübt wurde, waren.«
    »Sie möchten, dass ich die Frage nicht persönlich nehme«, fuhr Garralde fort, »ich soll begreifen, dass es reine Routinefragen sind, blablabla – nicht wahr? Mein Gott, es ist wirklich absurd, wie sehr so eine echte Befragung den McMillan-Folgen gleicht, die ich im Fernsehen gesehen habe, als ich jung war!«
    Perdomo lächelte über ihre ungezwungene Art und hätte zu gern gewusst, wer besagter McMillan war, von dessen Umtrieben er noch nie gehört hatte. Zudem fragte er sich, ob sich hinter ihrem Zynismus nicht in Wirklichkeit doch tiefere Gefühle verbargen, denn sie selbst hatte ja gerade eingeräumt, dass es eine enge emotionale Bindung zwischen ihr und dem Opfer gegeben hatte.
    »Ich war den ganzen Abend zu Hause, Inspector«, sagte Garralde, »und ich kann es nicht beweisen. Wissen Sie, weshalb? Weil ich nicht die leiseste Ahnung hatte, dass mein kleines Mädchen ermordet werden würde. Das nächste Mal, wenn jemand getötet wird, der zu meinem … wie nannten Sie das, Inspector? Zu meinem engsten Kreis gehört, sorge ich dafür, dass ich vorher von dem Verbrechen erfahre, damit ich der Polizei ein Alibi liefern kann, das so handfest ist wie dieser Flügel.«
    Sie klopfte zwei Mal auf den Deckel des Instruments und entlockte ihm damit einen sehr tiefen Ton.
    »Das ist einer der Dämpfer«, erklärte sie, als wollte sie sich für die Einmischung des Instruments entschuldigen. »Er liegt nicht ganz auf, dadurch klingt das jetzt, als hätte ich das Resonanzpedal betätigt.« Dann sah sie den Polizisten forschend an und fügte hinzu: »Eins ist komisch, Inspector: Ich beobachte Sie jetzt, seit Sie zur Tür hereingekommen sind, und ich habe das komische Gefühl, als hätte ich Sie schon einmal gesehen.«
    »Ich war bei Anes Trauerfeier, und unsere Blicke haben sich flüchtig gekreuzt, aber das wissen Sie vielleicht nicht mehr. Es war eine sehr bewegende Zeremonie, finden Sie nicht?«
    »Ja, sehr.«
    »Erklären Sie mir eins. Sie waren zwar nicht beim Konzert, aber Sie sind sicher auf dem Laufenden über den seltsamen Vorfall bei der Zugabe. Haben Sie gehört, dass Ane Larrazábal die Geige aus der Hand geglitten ist?«
    »Ja, das stand ja am nächsten Tag sogar in der Zeitung.«
    »War ihr das schon einmal passiert?«
    »Nein, nicht dass ich wüsste. Aber einmal sind ihr sämtliche Haare an ihrem Bogen zugleich gerissen. Das war sehr witzig, etwa so, wie wenn der Wind einem Mann die Perücke vom Kopf weht, denn die Bogenhaare verfingen sich in Anes eigenen Haaren, und für einen Moment wusste das Publikum nicht mehr, welche Haare Ane gehörten und welche zum Geigenbogen. Die Sache war ziemlich drollig, hatte aber weiter kein Nachspiel. Ane nahm einfach einen anderen Bogen und begann das Stück da capo. «
    »Woran könnte es gelegen haben, dass ihr die Geige aus der Hand gerutscht ist?«
    »Das war bei der neunten Variation, nicht wahr? Da muss man mit der linken Hand, mit der man auch die Geige hält, eine Reihe sehr schneller Pizzicati zupfen, das heißt, man zupft kräftig an der Saite. Da Ane das Instrument nicht so fest halten konnte wie Musiker, die mit Kinnhalter spielen, hat sie es mit dem Pizzicato vielleicht übertrieben, und die Geige ist ihr deshalb aus der Hand gerutscht.«
    »Könnte es nicht sein, dass sie aus irgendeinem Grund aufgeregt war?«
    »Aufgeregt?

Weitere Kostenlose Bücher