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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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sattgrün den Hügel hinauf. Die Vernaccia-Reben wurzelten tief. Sie kamen noch an Wasser, wenn alles andere schon längst vertrocknet war.
    Weiter hinten waren die Felder bei Cabernardi zu erkennen. Nichts unterschied sie nun von allen anderen, doch vor dreißig Jahren war dort kein einziger Halm gewachsen. Schwefelgelbe Ödnis hatte sich weit um die Mine ausgebreitet, und bei ungünstigem Wind war der Höllengestank aus den Schornsteinen bis Montesecco gedrungen. Die Weinstöcke hatte damals keiner schwefeln müssen.
    Trotz allem war die Mine ein Segen gewesen. In der ganzen Gegend hatte sie für bescheidenen Wohlstand gesorgt, und als der Montecatini-Konzern sie schließen wollte, wehrten sich die Arbeiter mit Zähnen und Klauen. Benito Sgreccia war dabeigewesen, als sie vierzig Tage lang die Minebesetzt hielten. Die zweite Schicht weigerte sich einfach, aus dem Schacht auszufahren. Blieb fünfhundert Meter unter der Erde. Vierzig Tage lang. Solidarität mit den lebendig Begrabenen titelte damals die »Unità«, und dreimal am Tag kamen die Frauen aus den umliegenden Dörfern und schickten das Essen hinab. Bleich und verstört stiegen die Arbeiter nach vierzig Tagen aus den Eingeweiden der Erde, doch sie wurden als Helden gefeiert. Sie hatten Montecatini besiegt. Alle 860 Entlassungen wurden zurückgenommen.
    Sieben Jahre später war dann endgültig Schluß. Benito Sgreccia hustete.
    »Vielleicht sollten wir jetzt den ersten Schritt tun«, sagte Curzio endlich.
    Benito Sgreccia machte die Augen auf. Manchmal siegte man, manchmal verlor man. Das konnte man nicht vorhersagen, wenn man zu kämpfen begann.
    »Welchen Schritt?« fragte er.
    »Wir überprüfen das erste Alibi«, sagte der alte Curzio.
    »Und?« fragte Benito Sgreccia.
    »Und was?«
    »Wo warst du?«
    »Ich?«
    Der alte Sgreccia nickte. Sein Hals bestand nur aus Runzeln.
    »Du willst wissen, wo ich war, als Giorgio ...?« Curzios Stimme klang empört.
    »Ihr wart über Kreuz, du und die Lucarellis«, sagte Benito Sgreccia. Niemand konnte sich genau erinnern, was die Feindschaft zwischen den Familien ausgelöst hatte. Es lag auf jeden Fall schon Jahrzehnte zurück.
    Curzio sagte: »Mit Carlo hatte ich Streit, ja, mit Giorgio nicht. Das weißt du ganz genau. Ich habe vielleicht nicht viel mit ihm gesprochen, aber ... Mein Gott, du glaubst doch nicht, daß ich irgend etwas damit zu tun haben könnte?«
    Benito Sgreccia saß unbeweglich auf der Bank. SeineAugenlider senkten sich. Curzio stöhnte. Dann sagte er: »Na gut. Vormittags war ich mit Marisa in Pergola. Dann haben wir zusammen gegessen. Dann war ich hier, mit dir, wenn du dich erinnerst, und nachmittags war ich zu Hause. Marisa kann das bezeugen.«
    »Aha«, sagte Benito Sgreccia.
    »Und du?«
    »Wie immer«, sagte der alte Sgreccia.
    »Ich überprüfe das. Darauf kannst du Gift nehmen!« sagte Curzio. Er stand auf. »Und jetzt komm mit!«
    »Wohin?« fragte Benito Sgreccia. Er hievte sich an seinem Stock nach oben.
    »Zu unserem Revoluzzer. Vielleicht hatte Carlo Lucarelli ausnahmsweise mal recht. Und irgendwo muß man ja anfangen.«
    Benito Sgreccia nickte. Die beiden trotteten den Weg ins Dorf zurück. Im Schatten des Palazzo Civico rasteten sie kurz und stiegen dann langsam die Treppen hoch. Vor der Tür von Matteo Vannonis Haus blieben sie stehen. Curzio wischte sich über die Stirn, und Benito Sgreccia klopfte mit dem Knauf des Spazierstocks. Es dauerte ein wenig, bis Vannoni öffnete.
    »Ja?« fragte er.
    Die beiden Alten sahen sich an.
    »Los, frag ihn!« sagte Curzio.
    »Wieso ich?« fragte Benito Sgreccia.
    »Du kannst auch mal etwas sagen«, sagte Curzio.
    »Ich habe geklopft«, sagte Benito Sgreccia. Er begann zu husten. Tief aus der Lunge heraus.
    Curzio schüttelte den Kopf und wandte sich an Vannoni. »Soweit alles in Ordnung, Matteo?«
    »Was wollt ihr?« fragte Vannoni.
    Der Oleander in den Terrakottatöpfen neben Vannonis Tür stand in voller Blüte. Satte rote Blüten. Benito Sgreccia räusperte sich, drückte den Rücken durch und stellte den Spazierstock gerade.
    »Wir haben ja ziemlich viel Zeit ...«, sagte er. Er wandte sich hilfesuchend an Curzio. »Mach du!«
    Curzio sagte: »Du kennst doch die Kalender, bei denen man jeden Tag ein Blatt abreißen muß, und da wäre es doch Blödsinn ...«
    »Es geht um die Alibis«, sagte Benito Sgreccia.
    Curzio nickte. »Wer zum Beispiel den ganzen Nachmittag hier im Ort Holz gehackt hat ...«
    »Holz gehackt? Bei der Hitze?« warf

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