Die Virus-Waffe
haben wir
schon fünf Tote, einer davon ein Polizist. Zwei Männer
wurden von irgendwelchen Erregern ermordet, und zwei
Dorfbewohner sowie mein Beamter wurden wie Vieh von
denselben Leuten abgeschlachtet, die diesen Erreger ge-
züchtet haben. Ich kannte den jungen Beamten persönlich.
Er arbeitete seit drei Jahren für mich, und ich muss jetzt
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seiner Frau die Nachricht überbringen, dass sie Witwe ist.
Darauf freue ich mich nicht gerade.«
Lavat starrte den Mann im Schutzanzug an, der immer
noch mitten auf der Straße stand. Seine Augen waren
feucht, und seine Stimme klang erstickt. »Diesen Behälter
haben Sie nicht gefunden, stimmt’s?«, fragte er.
Hardin schüttelte den Kopf. »Nein. In der Wohnung
befindet sich nichts Derartiges.«
»Natürlich nicht!«, fauchte Lavat. »Weil diese Mistkerle,
die meinen Beamten umgebracht haben, vor uns hier wa-
ren und ihn mitgenommen haben. Ich werde sie finden!
Sie müssen noch auf der Insel sein. Ich werde Sie finden,
und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Ich habe bereits das Räderwerk in Gang gesetzt.« Er drehte sich um, als Gravas
hinter ihm auftauchte. »Und?« Er klang wütend.
»Das war die Arbeit von Profis«, erklärte der Arzt und
streifte seine Latexhandschuhe ab. »Der Polizist hat einen
Schlag auf den Hinterkopf bekommen, und dann hat ihm
jemand sein Nasenbein ins Hirn gerammt. Solche tödli-
chen Schläge lernt man bei gewissen Kampfsportarten. Sie
haben ihm auch den Kehlkopf zertrümmert, damit er nicht
schreien konnte. Die beiden alten Männer wurden er-
würgt, nachdem man sie brutal verprügelt hat.«
»Das alles tut mir sehr Leid, Inspektor«, sagte Hardin
nach einer Weile des Schweigens. »Aber wir müssen wei-
termachen. Dr. Gravas, würden Sie mich bitte absprühen?«
Gravas nickte und öffnete Hardins Koffer, den er selbst
von Aristides’ Haus mitgebracht hatte. Die Sprühflasche
enthielt eine Bleichlösung. Hardin stellte sich mitten auf
die Straße und streckte die Arme aus, während Gravas den
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Tyvek-Anzug von allen Seiten mit der Lösung einsprühte.
Er fing am Kopf an und arbeitete sich langsam bis zu den
Füßen des Amerikaners hinunter.
Der scharfe Geruch der hoch konzentrierten Bleichlö-
sung überlagerte die milde Abendluft.
»Normalerweise stopfen wir den Anzug in einen Gefah-
rensack für Biomüll und entsorgen ihn«, erklärte Hardin,
während er die Klebestreifen von seiner Haube abzog.
»Aber hier auf Kreta verfügen wir nur über eine begrenzte
Ausrüstung, und ich habe keine der beiden Leichen be-
rührt. Deshalb will ich den Anzug noch einmal verwen-
den. Diese Bleichlösung tötet alle organischen Erreger ab.«
Hardin stopfte den Anzug in einen luftdicht verschließ-
baren Beutel, den Lavat mitgebracht hatte, legte die Haube
und das Gebläse dazu und zog den Reißverschluss zu. La-
vat hatte noch einen kleineren Müllsack, in den Hardin
beide Handschuhpaare legte, die er benutzt hatte. An-
schließend versiegelte er ihn. Beutel und Inhalt würden
später verbrannt werden. Hardin nahm die beiden Beutel,
und die drei Männer gingen zu der Hauptstraße des Dor-
fes zurück.
»Also«, Gravas ließ seinen Blick durch die Gasse schwei-
fen, »kein Behälter?«
»Nein. Wir müssen davon ausgehen, dass Nico ihn hatte
und die Person, die den Polizisten umbrachte und in Nicos
Wohnung eingedrungen ist, ihn jetzt in ihrem Besitz hat.
Wir sollten auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass
Spiros mehr als einen Behälter gefunden hat. Wir können
zwar sicher sein, dass die beiden einen aufgemacht haben,
aber die Tatsache, dass seitdem jemand an diesem Tatort
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war …« Hardin blieb plötzlich stehen. Gravas schaute ihn
neugierig an.
Etwas hatte an Hardin genagt, seit er Spiros Aristides’
Haus verlassen hatte. Etwas, das er gesehen oder gehört
hatte, war ihm merkwürdig vorgekommen, aber er hatte
nicht herausfinden können, was. Plötzlich fiel es ihm wie
Schuppen von den Augen.
»Meine Güte, bin ich langsam!«, erklärte Hardin. »Ich
hätte das schon bei der Untersuchung des ersten Hauses
vorhersehen können. Sie haben doch gesagt, dass Sie dort
beide Schlafzimmertüren hinter sich geschlossen haben,
Dr. Gravas?«
»Ja. Ich habe alle inneren Türen geschlossen. Das ist ei-
ne übliche Vorsichtsmaßnahme.«
»Aber als ich hinaufgegangen bin, standen beide Schlaf-
zimmertüren weit offen. Das bedeutet, jemand war vor mir
da. Ich glaube, wir
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