Die Virus-Waffe
müssen warten, bis wir genau wissen, womit wir es zu tun haben.«
Hardin schaute zum Zelteingang, als die Bahn zurück-
geschlagen wurde und ein Polizist hereinkam. Er ging zu
Inspektor Lavat, sprach leise mit ihm und gab ihm ein
Stück Papier. Lavat sah Hardin an und trat vor.
»Sie haben einen Besucher, Mr. Hardin.« Er blickte auf
den Zettel in seiner Hand. »Einen gewissen Riecher, nein
Richter. Er wartet an der Absperrung an der Hauptstraße.
Er hat ausdrücklich nach Ihnen gefragt.«
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NAS Soúda Bay, Akrotíri, Kreta
Stein hielt vor dem einfachen Schlagbaum am Hauptein-
gang des Stützpunktes Soúda Bay an und kurbelte das
Fenster seines Ford Focus herunter, als der bewaffnete
Wachposten an den Wagen trat.
»Guten Morgen, Sir. Darf ich …?« Der Wachposten un-
terbrach sich, als Stein das kleine, lederne Etui mit seinem CIA-Ausweis aufklappte und es dem Mann unter die Nase
hielt.
»Ich heiße Stein und habe einen Termin mit Captain
Levy.«
Der Wachposten musterte aufmerksam das Foto und
Steins Gesicht, trat zurück, salutierte knapp und warf ei-
nen Blick auf sein Klemmbrett. »Jawohl, Sir. Captain Levy
um elf Uhr dreißig. Waren Sie schon mal hier, Mr. Stein?«
Als Stein den Kopf schüttelte, beschrieb der Wachpos-
ten ihm den Weg zum nächsten Parkplatz. Acht Minuten
später betrat Stein Levys Büro.
Levy war groß, schlank und schwarz. Außerdem war er
einer von zwei Agenten der Firma in Soúda Bay. CIA-
Beamte trugen gewöhnlich keine Uniformen, in Ausnah-
mefällen war das jedoch notwendig. Die NAS Soúda Bay
war eine solche Ausnahme. Wie auf allen US-Stütz-
punkten arbeiteten auch in Soúda Bay Zivilisten, die aber
zumeist mit eher unbedeutenden Aufgaben betraut waren.
Aus verschiedenen Gründen benötigte die CIA einen Be-
amten in einem möglichst hohen militärischen Rang auf
dem Stützpunkt. Seit zwei Jahren saß Nathan Levy, Cap-
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tain der United States Air Force, deshalb dort an einem
Schreibtisch, statt wie vorher in einer F-16 Falcon.
Jedenfalls lautete so die offizielle Version. In Wirklich-
keit diente Levy nicht in der USAF und hatte auch nie eine
Falcon geflogen. Eine solche Maschine hatte er bisher
überhaupt erst zweimal zu Gesicht bekommen. Er besaß
nicht mal einen Pilotenschein. Doch er wusste genug über
die Fliegerei, um sich selbst bei einem Gespräch mit Fach-
leuten nicht zu blamieren. Außerdem weigerte er sich,
über seine Pilotenkarriere zu reden, und niemand drängte
ihn dazu. Kurz nach seiner Ankunft auf Kreta kursierten
Gerüchte, dass er in einen Unfall verwickelt gewesen wäre,
bei dem sein Flügelmann ums Leben gekommen war. Sein
Schreibtischjob sollte ihn stabilisieren, bis er wieder fliegen konnte. Levy kannte die Gerüchte, schließlich hatte er sie
selbst in Umlauf gebracht.
»Ich bin Stein«, verkündete sein Besucher.
»Glaub ich gern«, erwiderte Levy, »aber ich möchte
trotzdem Ihren Ausweis sehen.«
Stein fischte das schwarze Lederetui aus seiner Tasche
und gab es dem Offizier. Levy betrachtete es sorgfältig, verglich die Nummer auf dem Ausweis mit der auf dem Aus-
druck des Funkspruchs auf seinem Tisch, klappte das Etui
zu und gab es Stein zurück. »Gut, Mr. Stein. Ich habe zwei
Nachrichten aus Langley bekommen, die Sie betreffen. Die
zweite war eine Einkaufsliste. Die Waffen sind kein Prob-
lem. Sie sind zu dritt, also habe ich drei SIG P226 mit
Schalldämpfern und zwei Reservemagazinen bereitgestellt.
Das ist die SIG-220-Variante mit Fünfzehn-Schuss-Maga-
zinen.«
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»Ich kenne die Waffe«, erwiderte Stein.
Auf dieser Einkaufsliste war Levy angewiesen worden,
für Krywalds Team schallgedämpfte Waffen zu beschaffen,
und außerdem eine ganz andere Pistole und ein eher un-
gewöhnliches Gewehr an ein Hotel in Réthymnon zu lie-
fern. Levy sollte Stein eine Stunde Vorsprung geben und
die anderen Waffen dann in unauffälligen Kartons persön-
lich in das Hotel in Réthymnon liefern.
Levy war schon lange bei der Firma und kannte die
krummen Touren, mit denen die Mitarbeiter operierten.
Aber eine solche Operation war selbst für ihn neu. Er hatte
absolut keine Ahnung, worum es eigentlich ging, aber an-
hand der Waffen, die er beschaffen sollte, konnte er sich
einiges zusammenreimen. Nicht zum ersten Mal fragte
sich Levy, ob er nicht lieber die CIA verlassen und für eine Organisation arbeiten sollte, die sich an höhere moralische
Maßstäbe hielt, zum Beispiel für die
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