Die Virus-Waffe
abbog.
Kandíra, Südwestkreta
»Kurz gesagt, es gibt zwei Aspekte an diesem Ausbruch,
um die wir uns kümmern müssen«, begann Tyler Hardin
die Einsatzbesprechung vor seinem CDC-Team. »Erstens
konzentrieren wir uns darauf, den Erreger zu identifizie-
ren, der den Tod dieser beiden Männer verursacht hat. Da
wir jetzt unsere Ausrüstung zur Verfügung haben, sollten
wir das hoffentlich schnell schaffen.«
Hardin schaute sich in dem Zelt um, in dem sie ihren
provisorischen Stützpunkt aufgeschlagen hatten. Es lag
neben der Hauptstraße, die durch Kandíra führte. Seine
drei Kollegen vom CDC, Mark Evans, Jerry Fisher und Su-
san Kane, saßen auf Klappstühlen vor ihm und hielten ihre
Kaffeebecher in der Hand. Die Reste ihres Frühstücks la-
gen auf dem Tisch hinter ihnen.
Alle waren qualifizierte Ärzte und Beamte des Epidemic
Intelligence Service. Fisher hatte bereits acht Jahre Berufs-erfahrung, während Evans und Kane gerade erst ihre Aus-
bildung in Atlanta abgeschlossen hatten. Es überraschte
Hardin nicht, dass die Hälfte seines Teams »Grünschnä-
bel« waren. Das CDC war der Meinung, dass man über die
notwendigen Maßnahmen beim Ausbruch einer Seuche
am meisten lernte, wenn man praktische Erfahrungen
sammelte.
Beim CDC war es üblich, morgens eine Einsatzbespre-
319
chung abzuhalten, bevor die praktische Arbeit begann.
Hardin hatte zwar mit seinen drei Mitarbeitern am Abend
zuvor kurz gesprochen, aber da waren sie noch von den
anstrengenden Vorbereitungen für diese Operation und
dem langen Flug nach Kreta erschöpft gewesen.
Erschöpfte und unter Jetlag leidende Mitarbeiter wollte
Hardin auf keinen Fall auf einen hochinfektiösen Klasse-
Vier-Organismus ansetzen. Also hatte er sie nach dem
Abendessen in ihre Feldbetten ins Nachbarzelt geschickt.
Die Einweisung hatte er auf den nächsten Morgen ver-
schoben.
»Leider verfügen wir hier vor Ort nicht über ein Elekt-
ronenmikroskop, aber es befindet sich eines in einem La-
boratorium in Heraklion, wie Dr. Gravas mir sagte. Unsere
Ermittlungen genießen natürlich hohe Priorität, deshalb
werden wir damit arbeiten können. Das Schwierigste an
einer mikroskopischen Untersuchung ist die Logistik. Wir
sind zwar nach Luftlinie nicht weit von Heraklion entfernt,
aber es würde uns Stunden kosten, über Land dorthin zu
fahren. Glücklicherweise hilft man uns hier weiter. Sie sind gestern Abend mit einem Hubschrauber der Britischen
Royal Navy hergebracht worden, der auf dem Flugzeugträ-
ger Invincible stationiert ist. Er hält sich vor Kreta auf, um uns zu unterstützen. Man hat mir zugesichert, dass die Helikopter uns jederzeit überallhin bringen werden. Ein Ver-
bindungsoffizier auf dem Schiff trifft irgendwann im Lauf
des Vormittags hier ein. Er richtet eine Funkverbindung
zur Invincible ein, damit wir über ihn die Hubschrauber-transporte organisieren können.
Das zweite Problem ist die Infektionsquelle. Wie ich
320
schon erklärt habe, gibt es stichhaltige Hinweise, dass der
Erreger in einem luftdicht versiegelten Behälter aufbewahrt
wurde. Sollte das zutreffen, haben wir es entweder mit ei-
nem Biokampfstoff oder mit einem unbekannten Virus zu
tun, das in der Natur entdeckt wurde. Es gibt noch andere
Anhaltspunkte, auf die ich gleich zu sprechen komme.«
Hardin sah seine drei Kollegen der Reihe nach an. »In
jedem Fall haben wir es mit etwas absolut Tödlichem und
vollkommen Unbekanntem zu tun. Sie müssen alle not-
wendigen Vorsichtsmaßnahmen treffen, die bei der Unter-
suchung eines möglicherweise hoch infektiösen Vierer-
Organismus vorgeschrieben sind. Ich weiß, dass das hier
draußen schwierig ist und dass wir improvisieren müssen,
aber es ist für uns alle von größter Bedeutung, dass Sie ex-
treme Vorsicht walten lassen. Beobachten Sie alles und je-
den, und wenn Sie etwas Auffälliges sehen, unterbrechen
Sie sofort die Untersuchung. Äußerste Vorsicht ist lebens-
wichtig.
Mein letzter Punkt ist ein wenig ungewöhnlich. Ich ha-
be den Behälter erwähnt, in dem sich der Erreger vermut-
lich befunden hat. Sie sollten wissen, dass wir ihn bisher
nicht gefunden haben und ihn wahrscheinlich auch nicht
finden werden. Und zwar deshalb, weil jemand anders ihn
bereits an sich genommen hat.« Hardin blickte in die drei
erstaunten Gesichter seiner Mitarbeiter. »Als Dr. Gravas
der Verdacht kam, dass Spiros Aristides durch eine Filovi-
rus-Infektion ums Leben gekommen sein
Weitere Kostenlose Bücher