Die Virus-Waffe
Naval Air Squadron und hatte sich entschlossen, an
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diesem Ausflug persönlich teilzunehmen, nachdem er
gehört hatte, dass der Merlin nicht nur als Lufttaxi einge-
setzt werden sollte. Sie saßen im Besprechungsraum der
Hubschrauberstaffel auf Deck Zwo, wo der Wetteroffizier
seinen Bericht beendet hatte. Danach hatte Richter kurz
die Route umrissen, die er mit dem Merlin abfliegen
wollte.
»Nach einem abgestürzten Flugzeug auf dem Meeres-
grund«, erwiderte Richter. »Vermutlich eine Art Firmenjet
von der Größe eines Lear oder einer Falcon. Er liegt bereits eine Weile dort, vermutlich zehn Jahre oder länger. Anscheinend wurde er abgeschossen, also dürfte er schwer
beschädigt sein.«
»Abgeschossen … Woher wissen Sie das? Von wem?
Und wem gehörte das Flugzeug?«
»Das sind drei Fragen«, antwortete Richter, »und die
Antworten lauten: aus der Zeitung, keine Ahnung, keine
Ahnung.«
»Aus der Zeitung?« O’Reilly grinste. »Bezieht Ihr Spooks
daher Eure geheimen Informationen? Das ist nicht gerade
Echelon oder Carnivore, hm?«
Echelon ist ein System zum Abfangen von Kommunika-
tion, das ausschließlich von der amerikanischen National
Security Agency und dem Communications Headquarter
der britischen Regierung benutzt wird. Unterstützung be-
kommen sie aus Australien, Neuseeland, Kanada und
sonst woher. Das System hört automatisch alle Anrufe, E-
Mails und Faxe ab, die in seinem jeweiligen Einsatzgebiet
gesendet oder empfangen werden, und sucht nach speziel-
len Worten oder Sätzen. Carnivore ist ein ähnliches Pro-
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gramm, wird aber in einem weit kleineren Bereich und nur
vom FBI innerhalb der Vereinigten Staaten eingesetzt.
Richter lächelte. »Manchmal sind Informationen aus of-
fenen Quellen genauso wertvoll, Mike. In diesem Fall habe
ich keine andere Wahl, als mich darauf zu stützen. Mehr
habe ich nämlich nicht. Und außerdem sind Sie nicht
mehr ganz auf dem Laufenden. Das modernste Abhörsys-
tem ist Blue Crystal, das vom National Reconnaissance Of-
fice verwendet wird, nicht das Echelon der NSA.«
»Blue Crystal? Nie gehört«, gab O’Reilly zurück.
»Gut für Sie«, sagte Richter. »Sonst hätte ich Sie er-
schießen müssen. Also, glauben Sie, dass Sie dieses ver-
dammte Flugzeug aufspüren können?«
»Selbstverständlich«, sagte O’Reilly. »Die Suche nach
Nadeln im Heuhaufen ist meine Spezialität. Legen wir los.«
Kandíra, Südwestkreta
»Er ist woran gestorben?« Inspektor Lavat traute seinen
Ohren nicht.
»Er ist ertrunken«, wiederholte Hardin. »Aristides ist in
seinem eigenen Blut ertrunken. Die eigentliche Todesursa-
che war Atemstillstand, als sich seine Lungen mit Blut ge-
füllt haben. Dieses Lungenödem nennt man auch ARDS,
Adult Respiratory Distress Syndrome, akutes Lungenver-
sagen. Es ist die häufigste Todesursache bei Patienten, die
von einem Arenavirus befallen werden wie dem Venezola-
nischen Hämorrhagischen Fieber, dem Brasilianischen Sa-
bia-Virus oder dem Lassa-Fieber.«
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»Lassa-Fieber habe ich schon mal gehört«, erwiderte La-
vat. »Die beiden anderen kenne ich nicht. Also ist Aristides an etwas wie Lassa-Fieber gestorben, wollten Sie das damit
sagen?«
»Nein, jedenfalls nicht an Lassa oder einem der ande-
ren bekannten Arenaviren. Sie wirken alle sehr langsam.
Das Opfer klagt erst über Kopf- und Muskelschmerzen,
die allmählich immer schlimmer werden, dann bekommt
es hohes Fieber und Durchfall; der Patient erbricht und
leidet unter Zahnfleischbluten. Normalerweise treten auch
Blutungen in den Augäpfeln auf. Der Blutdruck fällt dra-
matisch, und in den späteren Stadien erleidet man
Krämpfe und verliert das Bewusstsein. In den letzten Sta-
dien schwellen bei vielen Kopf und Nacken an, und sie
versteifen sich. Der Körper erstarrt in einer verkrampften
Haltung, weil die höheren Gehirnfunktionen verloren ge-
hen. Einige leiden auch an Gehirnhautentzündung. Sie
fallen gewöhnlich ins Koma und bekommen schwerste
Krämpfe.«
»Ich bin zwar nicht ganz auf dem Laufenden«, gab Dr.
Gravas zu, »aber ich habe von einer Behandlung gegen
Lassa-Fieber gelesen.«
»Das ist richtig«, bestätigte Hardin. »Es gibt mittlerweile
eine Behandlung dagegen, aber sie steckt noch in den Kin-
derschuhen. Das Medikament, Ribavirin, muss sofort nach
der Diagnose verabreicht werden, wenn die Behandlung
Erfolg haben soll.«
Gravas nickte. »In unserem Fall hätte wohl weder Riba-
virin
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