Die Virus-Waffe
der Kammer
standhält, und muss außerdem so behandelt werden, dass
sie Strom leitet. Denn sie wird mit einem Elektronenstrahl
abgetastet, nicht mit Lichtwellen. Die Leitfähigkeit erreicht man gewöhnlich, indem man die Probe mit einer hauch-dünnen Goldschicht überzieht.
441
Anschließend werden die Proben sehr vorsichtig auf ein
kleines Tablett gelegt, das an der Tür der Vakuumkammer
befestigt ist, die Tür wird verschlossen, und die Luft wird
herausgepumpt. Sobald das Vakuum hergestellt ist, feuert
eine Kanone an der Spitze des Mikroskops einen Strahl aus
Elektronen durch eine Reihe von magnetischen Linsen, die
den Strahl in einem winzigen Punkt bündeln.
Dieser Energiepunkt wird dann in kreisförmigen Win-
dungen über die Oberfläche der Probe bewegt. Das ist der
Abtastvorgang eines SEM. Wo der Strahl die Probe trifft,
werden Elektronen von ihrer Oberfläche freigesetzt. Die
zählt ein Detektor, der die Informationen an einen Ver-
stärker schickt, und anschließend erscheint ein Bild auf
dem Bildschirm, das von den Elektronen erzeugt wird,
welche die Probe abgibt.
»Ich weiß es nicht«, antwortete die Technikerin. »Es
sieht wie eine Spore aus, aber so eine habe ich noch nie ge-
sehen.«
»Woher stammt sie?«
»Ich habe sie in den Proben vom Esstisch im Haus die-
ses Spiros Aristides gesehen. Dem ersten Fall.«
Der Bildschirm zeigte Schwarzweißbilder einer Hand
voll kugelförmiger Objekte. Weil das SEM Elektronen
verwendet, tauchen niemals Farben auf dem Bildschirm
auf, obwohl man den ausgedruckten Fotos häufig nach-
träglich Farben beimischt. Das Gerät stellte die Einzelhei-
ten bemerkenswert deutlich dar, aber trotz der einhun-
dertfünfzigtausendfachen Vergrößerung war nicht allzu
viel zu erkennen. Eben nur eine Ansammlung von winzi-
gen, sporenförmigen Objekten.
442
Die Technikerin bereitete das Elektronenmikroskop
hastig für die nächste Probe vor. »Aber deswegen habe
ich Sie nicht gerufen.« Nachdem sie die Vakuumkammer
geöffnet hatte, entnahm sie hastig die erste Probe und er-
setzte sie durch die zweite, zuvor behandelte. »Als ich
diese Dinger gesehen habe, fragte ich mich, wieso sie
schlafen. Deshalb habe ich einen Tropfen Wasser zu die-
ser zweiten Probe hinzugefügt und sie dann untersucht.
Das hier«, sagte sie, als der Bildschirm aufflammte, »woll-
te ich Ihnen zeigen.«
Der Laborleiter beugte sich vor und starrte verblüfft auf
den Schirm. Die kugelförmigen Objekte waren immer
noch zu sehen, aber sie waren ausnahmslos alle aufge-
platzt. Die Probe sah jetzt aus wie eine Masse von Viren,
aber der Laborchef erkannte sofort, dass sie nicht die typi-
sche fadenartige Form eines Filovirus aufwiesen.
»Die gute Nachricht ist, dass es sich eindeutig weder
um Ebola noch um Marburg handelt«, stellte er fest. »Die
schlechte ist, dass ich nicht weiß, was es ist. Wenn ich ra-
ten müsste, würde ich es für eine Art Rinder-Virus hal-
ten. Ich kenne nur ein Virus, dem es schwach ähnelt, das
BLV, das Bovine Lymphotrophic Virus. Aber das macht
keinen Sinn. Dieses Virus infiziert nur Rinder und agiert
sehr langsam. Es greift die Lymphdrüsen an und ruft
möglicherweise Krebs hervor. Aber es bringt keinen ge-
sunden Menschen in weniger als vierundzwanzig Stun-
den um.«
443
Zwischen Gavdopoúla und Gávdos,
östliches Mittelmeer
Richter hatte das Gefühl, als stünde die Zeit still. Regungslos schwebte er im Wasser und überlegte, was er tun sollte.
Wenn die beiden Sprengsätze unter dem Sitz vor ihm
hochgingen, würde man von ihm höchstens noch einen
Zahn finden.
Diese Möglichkeit schmeckte ihm gar nicht. Außerdem
irritierte ihn, dass die Sprengladungen offenbar einfach
blindlings in die Kabine geworfen worden waren. Um das
Flugzeug vollkommen zu zerstören hätte man sie sorgfältig
an strategischen Punkten platzieren müssen. Ihre willkür-
liche Lage ließ jedoch vermuten, dass es noch mehr
Sprengladungen unter den Sitzen, den Trümmern oder
sogar außen am Rumpf gab.
Richter blieben zwei Möglichkeiten: Crane und er
konnten die Kabine hastig nach den Sprengladungen ab-
suchen, hoffen, dass sie alle fanden, und die Zünder ent-
schärfen, bevor sie hochgingen. Die Alternative war,
schleunigst zu verschwinden. Die Entscheidung fiel ihm
nicht sehr schwer.
Richter drehte sich herum und deutete mit dem Dau-
men nach oben. Crane nickte. Beide Männer verließen die
Kabine durch das klaffende Loch an der
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