Die Virus-Waffe
wür-
de Stein die Akte wohl tatsächlich selbst lesen müssen,
wenn er aus den Worten seines Partners schlau werden
wollte.
»Es muss ein hoch infektiöser Erreger in diesem Koffer
gewesen sein«, meinte Stein nach einigen Sekunden. »Et-
was, was dir nicht aufgefallen ist, Staub oder eine Flüssig-
keit oder so etwas vielleicht.«
»Auf dem Deckel des Ordners war eine Art Puder«, sag-
te Krywald. »Ich habe ihn weggepustet, bevor ich ihn ge-
öffnet habe.«
Bingo, dachte Stein, enthielt sich aber eines Kommen-
tars. Achtzehn Minuten später half Stein Krywald durch
die Doppeltür des Krankenhauses, nachdem er ihm die
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SIG-Pistole aus dem Hosenbund gezogen hatte, und muss-
te hilflos mitansehen, wie sein Partner eiligst in die Not-
aufnahme geschafft wurde.
Hammersmith, London
»O Scheiße!«, murmelte Simpson und warf den Durch-
schlag der Funkmeldung dem Direktor der Abteilung
Aufklärung hin, der ihn verständnislos anstarrte.
»Wo liegt das Problem?«, erkundigte sich der Mann,
nachdem er die Nachricht gelesen hatte. »Gut, der Funk-
spruch kommt von Richter. Er erklärt, was passiert ist, als
er nach dem Wrack des Learjet tauchte, bestätigt Ihren Be-
fehl, dass er weiter ermitteln soll, und erklärt, dass er sich der Angelegenheit annehmen wird. Also wird er auch genau das tun.«
»Mich beunruhigt nicht, was in dem Funkspruch
steht!«, fuhr Simpson gereizt fort, »sondern was die Worte
bedeuten. Mir gefällt nicht, wie Richter sich seiner ›Ange-
legenheiten annimmt‹. Dabei fliegen normalerweise Ge-
bäude in die Luft, Flugzeuge explodieren, und die Zahl der
Todesopfer steigt proportional zu seiner Gereiztheit. Und
wenn jemand direkt unter seinem kleinen Gummiboot ei-
nen Haufen Plastiksprengstoff zündet, dürfte er vermut-
lich verdammt gereizt sein.«
»Sie übertreiben.«
»Nicht viel.«
»Er ist Ihr Untergebener, also wird er tun, was Sie ihm
sagen.«
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»Träumen Sie weiter.« Simpson lachte humorlos. »Er
stand auch in Italien unter meinem Befehl. Ich habe ihm
mehrmals eingeschärft, Lomas nicht anzufassen. Sechs
Minuten später lag Lomas auf der Kiesauffahrt, und zwei
italienische Polizisten haben versucht, ihm seine Därme
wieder in den Bauch zu stopfen. Erzählen Sie mir nicht,
dass Richter unter meinem Befehl steht.«
»Wenn er wirklich so unberechenbar ist«, schlug der
Leiter der Abteilung Aufklärung vor, »schießen Sie ihn
doch ab. Übergeben Sie ihn den Italienern. Ich bin sicher,
dass die ihn nur allzu gern in der Versenkung verschwin-
den lassen.«
»Niemals.« Simpson schüttelte den Kopf. »Trotz aller
Fehler ist Richter wahrscheinlich der fähigste Mann, den
ich je hatte. Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Er ist wie
ein Rottweiler mit Grundsätzen. Wenn er sich einmal in
ein Problem verbissen hat, lässt er erst los, wenn er es ge-
löst hat.«
»Aber wenn er Ihre Befehle nicht befolgt?«
»Damit kann ich leben, solange er seinen Job erledigt.
Was er bisher immer gemacht hat. Vielleicht kommt ir-
gendwann einmal der Tag, an dem er entbehrlich gewor-
den ist, aber bis dahin nehme ich die Schwierigkeiten in
Kauf, die er verursacht.«
»Aber was er Lomas angetan hat …«
»Was er mit Lomas gemacht hat«, unterbrach Simpson
ihn erneut, »war erheblich dezenter als das, was ich mit
dem Kerl gemacht hätte, wenn ich die Chance bekommen
hätte. Außerdem hatte Richter Recht. Die Italiener hätten
Lomas in einer netten, behaglichen Palladio-Villa unterge-
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bracht, ihm drei reichhaltige Mahlzeiten pro Tag serviert
und ihn höflich gefragt, ob er ihnen vielleicht etwas verra-
ten möchte. Nach allem, was wir über diesen Dreckskerl
wissen, hätten sie vermutlich die Quadratwurzel von
Scheiße aus ihm herausbekommen. Und selbst das wären
wahrscheinlich nur Desinformationen gewesen, mit deren
Überprüfung sie Monate verschwendet hätten.
Richter hat uns eigentlich einen Gefallen getan. Solange
Lomas sich erholt und pflegebedürftig ist, können die Ita-
liener viel mehr aus ihm herausbekommen. Sie können ihn
unter Drogen setzen oder ihm Sodium-Pentothal oder
Scopolamin spritzen und ihn einem Verhör dritten Grades
unterziehen, solange er noch schwach ist. Richter muss
sich nur Sorgen machen, was Lomas anstellt, sobald er
wieder gesund ist.«
»Sie meinen, er wird sich an Richter rächen?«
»Todsicher. Natürlich freut sich Richter schon darauf.
Er mag keine offenen Rechnungen.«
HMS
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