Die Virus-Waffe
Richter näherte sich
ihm. Ein kurzer Blick auf das kleine Loch in seiner Brust
genügte eigentlich, trotzdem tastete Richter nach dem Puls
seines Kollegen. Zwei Minuten später verließ er das Zim-
mer, lief die Treppe hinunter, durchquerte die Lobby und
trat auf die Straße.
Er setzte sich an einen Tisch in dem Café gegenüber
dem Hotel und bestellte einen Kaffee. Dann zog er sein
Handy und das Notizbuch heraus und schlug die Kontakt-
nummer des diensthabenden SIS-Officers nach, die Ross
ihm für Notfälle gegeben hatte. Nach dem zweiten Klin-
geln nahm jemand ab.
»Sommergewitter«, meldete sich Richter. »Schicken Sie
eine Putzkolonne zu dem Hotel in Réthymnon. Micky
Maus hat es nicht geschafft.«
Central Intelligence Agency,
Hauptquartier,Langley, Virginia
Die Schnelligkeit, mit der die Personalabteilung die ge-
wünschten Informationen lieferte, freute John Westwood.
Die langen Namenslisten dämpften sein Vergnügen aller-
dings. Offenbar erfüllten über zweieinhalbtausend CIA-
Angestellte seine Kriterien. Er musste diese Zahl drastisch
einschränken, bevor er überhaupt mit einer genaueren
Ermittlung beginnen konnte.
Er rief über die interne Leitung das Personalbüro an.
»Danke für die Liste«, sagte er. »Aber ich muss ein paar Fil-542
ter einbauen, um sie auf eine handhabbare Größe zu redu-
zieren. Eliminieren Sie auf der Grundlage der Informatio-
nen, die Sie mir geliefert haben, alle Agenten, die im Mo-
ment Urlaub außerhalb der Vereinigten Staaten machen,
alle, die im Krankenhaus liegen, sowie alle, die gerade ar-
beitsunfähig sind. Damit meine ich Fälle, die zu Hause ein
gebrochenes Bein auskurieren oder gepflegt werden. Je-
mand, der sich wegen einer Migräne krank gemeldet hat,
fällt nicht darunter.«
Dreißig Minuten später lag ein weiterer Ausdruck auf
seinem Schreibtisch. Aber es waren immer noch eintau-
sendachthundert Namen übrig, zu viel für eine praktikable
Suche.
Westwood dachte eine Weile nach, bevor er den
nächsten Filter einsetzte. Er war sich nicht sicher, ob er
damit klug beraten war. Schließlich hatte er keine Ah-
nung, wo der Killer wohnte, aber der Unbekannte musste
auf jeden Fall Virginia schnell erreichen können. West-
woods Instinkt sagte ihm, dass »Mr. X« vermutlich in ei-
nem Büro in demselben Gebäudekomplex in Langley saß
wie er selbst, aber auf diese Annahme konnte er sich
nicht verlassen.
Er rief erneut im Personalbüro an. »Eliminieren Sie alle,
die außerhalb von Washington D.C. Maryland und Virgi-
nia arbeiten«, befahl er.
Nachdem er vier Stunden lang eine Einschränkung
nach der anderen vorgenommen hatte, war die Liste auf
fünfundsiebzig Personen zusammengeschrumpft. West-
wood fiel nichts mehr ein, womit er diese Zahl noch weiter
hätte reduzieren können. Also musste er in den sauren Ap-
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fel beißen, und die Personalakten jedes dieser fünfundsieb-
zig Agenten durchgehen.
Réthymnon, Kreta
Drei Minuten nachdem Richter seinen Anruf bei dem
diensthabenden SIS-Officer beendet hatte, klingelte sein
Handy.
»Hier spricht Tyler Hardin, Mr. Richter. Ich habe Neuig-
keiten für Sie.«
»Lassen Sie mich raten«, antwortete Richter. »Curtis ist
tot?«
»Richtig. Aber das ist nicht das Interessante. Curtis wäre
ohnehin gestorben, vielleicht heute Nachmittag oder erst
heute Nacht. Den nächsten Morgen hätte er jedenfalls nicht
erlebt. Nein, ich wollte Ihnen mitteilen, dass jemand es of-
fenbar nicht abwarten wollte, bis der Erreger seine Arbeit erledigt hatte. Curtis ist nicht an einem Virus gestorben, sondern er wurde erschossen.«
Richter verschlug es nicht oft die Sprache, aber jetzt war er einen Moment sprachlos. »Verstehe ich Sie richtig?«, meinte
er schließlich. »Curtis war bewusstlos, lag im Koma und soll-te in wenigen Stunden sterben. Und trotzdem hielt jemand
es für nötig, ihn zu liquidieren? Das macht doch keinen
Sinn.«
»Was Sie nicht sagen«, gab Hardin zurück. »Trotzdem be-
steht kein Zweifel daran. Ich habe gerade zwei Neun-
Millimeter-Projektile aus der Brust der Leiche geholt, und
die örtliche Polizei führt eine ballistische Untersuchung
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durch. Ich informiere Sie, falls sie etwas herausfinden sollten.«
»Danke, Tyler. Ich wünschte, ich wüsste, was hier vor-
geht.«
Hardin lachte kurz. »Willkommen im Club.«
Westkreta
Stein lief um sein Leben. Er wusste zwar nicht genau, wie
McCready zu ihm stand, aber er vermutete, dass er
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