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Die Vision

Die Vision

Titel: Die Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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beflügelt mich neue Hoffnung. So nahe! So nahe am Ziel! Nur ein kleiner Umweg, um Gilbert zu holen, und dann – das Geheimnis der Geheimnisse!«
    Als ich mich wieder ins Bett legte, spürte ich, daß er nicht schlief, sondern hellwach dalag und ins Dunkel starrte.

Kapitel 9
    F ührt die Abgesandten des Grafen de Foix herein.« Der Sieur d'Aigremont hatte sich auf dem erhöhten Sitzplatz am Ende seines großen Rittersaals zu einem äußerst eindrucksvollen Bild aufgebaut. Sein schwerer Umhang war über die Lehnen eines großen, thronartigen Holzstuhls drapiert, auf dem er saß, und brachte gleichzeitig das Hermelinfutter und den erlesenen, hellblauen Stein des goldbestickten Wamses zur Geltung, der auf den Speckwülsten seines gewaltigen Oberkörpers schimmerte. Seine großen, ringgeschmückten und mittlerweile haarlosen Hände ruhten untätig auf den Armlehnen, so als wüßten sie nichts Besseres zu tun, als eine Ambrakugel an die Nase zu halten. Und doch spürte man unterschwellig ihre gefährliche Kraft – so als wären sie jederzeit bereit, einen ausgewachsenen Mann zu erdrosseln, wenn die Wut ihn überkam. Das scheinbar lässige Arrangement von Händen, Umhang und Wams war sorgfältig geplant, denn er wollte das, worauf er sich am meisten einbildete, gefällig ins Bild setzen: seine muskulösen Beine, die Beine eines kräftigen Reiters, Jägers, Kriegers und Tänzers, in weißer Seide, welche sich über seinen mächtigen Schenkeln spannte und mit auffallenden, goldenen Strumpfbändern befestigt war.
    Welche Ironie, daß auf einem Leib von so ungewöhnlicher Größe und Mächtigkeit ein unverhältnismäßig kleiner Kopf saß. Doch wie um das auszugleichen, waren die Hängebacken so schwer, daß sie den wulstigen Hals völlig verdeckten. Wäre da nicht der breite, juwelenbesetzte Kragen an der verborgenen Nahtstelle zwischen Leib und Kopf gewesen, man hätte schwerlich ausmachen können, wo der Leib aufhörte und der Kopf begann. Ein ausladendes, dunkelblaues prächtig mit Perlen besticktes Samtbarett beschattete die berechnenden Schweinsäuglein und verbarg dem Betrachter das volle Ausmaß ihrer Boshaftigkeit.
    Vor ihm knieten die Botschafter, zwei Ritter, noch ganz staubig von der Reise und überbrachten die Botschaft, die man dem Papier nicht anvertrauen konnte.
    »Mich einem Friedensvertrag mit den Engländern anschließen, äh? Hat er soviel Angst, der Prinz von Wales könnte von der Gascogne aus gen Osten marschieren, daß er Frankreich nicht unterstützen will?«
    »Mon Seigneur de Foix sagt, so wie ihn der König von Frankreich kürzlich unterstützt hat, gibt er seine Ländereien nicht der Plünderung preis, ohne dabei etwas gewinnen zu können. Er reitet mit seinem Vetter, dem Captal de Buch, und schließt sich um seiner Seelen Seligkeit willen den Rittern des Deutschen Ordens an. Er betet, daß zwischen Euch und ihm Friede herrschen möge und daß Ihr Euch ihm zu einem Feldzug anschließt, auf dem jedermann Gold und Ehre winken.«
    »Und während er fort ist, soll ich ihm die Kehrseite decken, äh? Wie kommt er auf die Idee?«
    »Möchtet Ihr denn nicht löblicherweise Navarra rächen, der dieser Tage im Verlies des Königs von Frankreich schmachtet, desgleichen die erschlagenen normannischen Edelleute des Bündnisses; Navarra steht auf Seiten der Engländer; ein Bündnis mit dem englischen Prinzen in Bordeaux würde Euer Gebiet verschonen und Zeugnis für Eure Liebe zu Eurem Herrn ablegen. Das allein schon sollte Euch geneigt machen, den Worten von Mon Seigneur Foix ein günstiges Ohr zu leihen, selbst ohne die Beweise seiner Liebe zu Euch, welche Ihr so huldvoll entgegengenommen habt.«
    »Wie sollte ich die Worte des wohledlen, jungen Grafen de Foix anders als mit äußerst geneigtem Ohr hören? Bleibt und genießt meine Gastfreundschaft, während ich mir sein Ansinnen durch den Kopf gehen lasse.«
    Als man sie hinausführte und bevor die nächsten Bittsteller eintraten, wandte er sich an Fray Joaquin, der dicht hinter ihm stand.
    »Fürwahr, ein liebender Vetter! Ist die Botschaft von Navarra schon entschlüsselt?«
    »Heute morgen, Herr. Er sagt, Ihr sollt Euch mit niemandem außer ihm verbünden; er rechnet mit baldigem Entkommen und hat Pläne für die Rückeroberung seiner Länder im Norden wie auch der Euren.«
    »Gut. Wir halten sie hin, dann schicken wir dem Grafen von Foix eine Botschaft unserer ewig währenden Liebe. Ich brauche jetzt Zeit – Zeit und Geld damit ich das Heer ausrüsten

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