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Die Vision

Die Vision

Titel: Die Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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kann, welches ich zur Unterstützung meines Herrn aufzustellen geschworen habe. Dieser verdammte Räuberhauptmann, dieser elende, englische Herzog! Wenn der nicht wie Satanas in meinen nördlichen Gebieten hocken würde, ich hätte das Geld bereits in den Händen. Und nun habe ich diesen unseligen Grafen de Foix am Hals! Gaston Phoebus, Gaston Phoebus! Warum in des Dreiteufels Namen muß ihn jedermann Apoll nennen, nur weil er ein hübsches Profil hat? Mich sollte man Reynaud Phoebus nennen! Mich! Wer ist der bessere Dichter? Wer ist der größere Schöngeist? Ich, nicht dieser degenerierte Laffe. Freundschaft – pfui –, wenn ich ihn doch nur zwischen meinen Fingern hätte, ich würde ihm schon zeigen, was ich von ihm halte.« Die Finger des Sieur d'Aigremont verkrampften sich, als risse er den gebratenen Flügel eines Silberreihers auseinander. Dann wandte er sich wieder an Fray Joaquin.
    »Wie weit ist Messer Guglielmo? Ich bin es leid, auf das Gold zu warten. Habt Ihr ihm gesagt, daß ich ihn pfählen lasse, wenn er sich nicht beeilt?«
    Fray Joaquins verschwörerisches Geflüster klang noch gedämpfter. »Er sagt, er braucht mehr Fixativ für das Quecksilber. Der Stoff, den Ihr ihm beschafft habt, hatte nicht die richtige Qualität. Er traut sich nicht, Asmodeus noch einmal anzurufen. Er verliert die Kontrolle über ihn; er ist durch Eure Gaben zu mächtig geworden und könnte sich losreißen und über die Welt hereinbrechen.«
    »Außer Kontrolle? Messer Guglielmo ist eine Memme. Aber nicht mit mir. Hat etwa dieser Laffe Gaston Phoebus Schwierigkeiten mit seinem Orthon? Nein, der hat sich seinen Hausgeist gefügig gemacht – so gefügig wie nur möglich. Und dabei hat er Orthon nicht halb so gut gefüttert wie ich Asmodeus. Ich glaube, Messer Guglielmo tischt uns Lügenmärchen auf – er hält mich hin. Und was das Fixativ angeht, das ich ihm geschickt habe, so genügte es höchsten ästhetischen Ansprüchen. Der letzte von den Kleinen beispielsweise, der so schrie, als ich –«
    »Nicht hier, Mon Seigneur, nicht hier. Aber ich glaube, ich habe die Antwort auf das gefunden, was Ihr in dieser Hinsicht braucht.« Fray Joaquin sah das Blut in den Schläfen seines Meisters pochen, während dieser begierig an die Taten der vergangenen Nacht in den Geheimkammern dachte. Der fette, alte Narr war nicht mehr Herr seiner Sinne, wenn die Gier ihn überkam. Das war die Schwäche, durch die ihn Fray Joaquin in der Hand hatte.
    »Eine Antwort?« Speichel rann dem Grafen aus dem Mundwinkel, und er leckte sich die roten Lippen, als ob sie immer noch nach Blut schmeckten.
    »Auf das Goldproblem. Die nächsten Bittsteller. Die Pilgergesellschaft. Behaltet alle unter einem Vorwand hier. Der fette Mönch unter ihnen ist der mächtigste Adept in ganz Europa. Habt Ihr schon von Theophilus von Rotterdam gehört?«
    »Theophilus? Der das Geheimnis der Geheimnisse besitzen soll und aus Paris verschwunden ist, just bevor ihn König Johann verhaften wollte?«
    »Eben dieser. Und er tat gut daran zu verschwinden, sonst hätte man ihn für den Rest seines Lebens zum Goldmachen eingesperrt.«
    »Sagt ihm, ich lasse ihn foltern, wenn er das Geheimnis nicht preisgibt.«
    »Das ist ganz und gar unnötig. Er sagt, er will das Geheimnis der Geheimnisse für das Leben von Sir Gilbert de Vilers eintauschen, welcher auch unter dem Namen Gilbert l'Escolier bekannt ist.«
    »Gilbert l'Escolier? Woher in des Dreiteufels Namen weiß er, daß er hier ist?«
    »Er sagt, der Stein verleiht das Allsehende Auge.«
    »Das Allsehende Auge? Das ist weitaus besser als alles, was Orthon diesem Pipigräflein de Foix versprochen hat. Ich wäre der mächtigste Mann auf der ganzen Welt – nein, ich lasse ihn nicht ziehen. Wir werden Theophilus zwingen, sein Geheimnis preiszugeben. Und was diesen überheblichen Möchtegern-Dichter angeht, so habe ich nicht die leiseste Absicht, ihn Theophilus oder sonst jemand auszuliefern. Ich habe ihn ja noch nicht einmal richtig bearbeitet. Wißt Ihr, was er heute gesagt hat? Halsstarrig wie eh und je. Nein, nein, der verspricht ein sportliches Vergnügen – das beste schlechthin, und ich bin gewillt, jede Minute bis ins letzte zu genießen. Beschwatzt diesen Mönch – erweckt den Eindruck, daß ich einwillige, und bringt das Geheimnis in Euren Besitz. Alsdann erledigen wir beide.«
    »Ich bin Euren Wünschen zuvorgekommen, Mon Seigneur. Ich habe nichts gesagt, doch die ganze Gesellschaft willkommen geheißen und sie

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