Die Vision
antun, und darum ist alles deine Schuld!« Gregory war ganz rot angelaufen, und je mehr er sich in sein Selbstmitleid hineinsteigerte, desto beleidigter sah er aus. »Das sage ich dir, als ich mich noch der Kontemplation widmete, da war ich viel glücklicher! Gott macht keinem Menschen das Leben derart zur Hölle!«
Ich war so zornig, daß ich nicht einmal wußte, wo ich mit Schimpfen anfangen sollte. Ich wollte sagen, wenn du so eifrig über Gott nachgedacht hast, wieso bist du dann nicht einfach in deinem Orden geblieben? Oder wieso gibst du nicht Vater die Schuld? Von ihm stammte doch die vortreffliche Idee, sich mein Erbe unter den Nagel zu reißen und mich zu entführen. Aber die ganzen Gemeinheiten, die ich ihm an den Kopf werfen wollte, verhedderten sich und wollten allesamt auf einmal heraus, und da stand ich nun und wollte mit erhitztem Gesicht auf ihn los, und ich machte den Mund auf, doch ich brachte keinen Ton heraus. So weit können einen die Männer jedes Mal treiben! Die Hölle! Was wußte er denn schon von der Hölle. Es tat ihm kein bißchen leid! Und während ich ihn mit hochrotem Gesicht anstarrte und mir die Worte im Hals steckenblieben, stand er vor mir und zählte seine Kränkungen auf, als ob ich selber keine vorzuweisen hätte. Mir war nach Ersticken oder eher Schluchzen zumute, was, das wußte ich nicht.
»– dann wird es aber langsam Zeit, daß dir jemand sagt, was für eine selbstsüchtige Frau du bist, Margaret –«
»– also, wer ist hier selbstsüchtig? Wer wüßte das wohl besser als du, so selbstsüchtig wie du immer bist! Du denkst nur an eines – an dich, dich, dich – dich und deinen blöden Vater, und wer muß hier die ganzen Opfer bringen, ich – glaubst du etwa, ich mag dieses gräßliche Haus? Weise mir nur ein einziges Mal nach, wo ich selbstsüchtig gewesen bin – ein Mal, ja, das hättest du wohl gern!«
»Selbstsüchtig? Du bist so selbstsüchtig, daß du sogar noch im Schlaf selbstsüchtig bist – also, wie du dich nachts in die ganzen Decken wickelst – und für mich bleibt nicht einmal ein Bettzipfel übrig. Ich kann dir sagen, der Mann, der mit Margaret schläft, der kann glatt erfrieren, so ist das!«
»Du – du –« Mir fehlten die Worte. Wie hatte ich mich nur auf etwas so Albernes einlassen können? Mein Gott, war ich dumm! Und dieser Mann war noch dümmer! Ich spürte, wie etwas in mir hochkam, bitter und ungestüm. Lachen. Lachen über Margaret, die Närrin. Das war das Ende – so geht es mit all den albernen Hoffnungen und Plänen. Ich mußte mich vornüberbeugen, denn ich hatte solche Krämpfe, daß mir vor Schmerzen übel wurde.
Gregory hielt mitten in der Aufzählung seiner Leiden inne, und sein Gesicht war ganz rot vor Entrüstung. »Das ist der Beweis, der schlüssige Beweis – für alles, was ich gesagt habe! Begreifst du? Du weißt, daß alles stimmt, und jetzt lachst du mich aus – nach allem, was ich durchgemacht habe! Wie kannst du nur?«
»Ich – ich – ich lache – doch –« brachte ich stoßweise heraus, hickste und hielt mir die Seiten.
»Und was soll das sonst sein, was du da machst?« Beim Anblick seiner Miene, die zugleich ratlos und überheblich war, ging es schon wieder los, ich konnte es mir selbst nicht erklären.
»Du bist ja überdreht. Ich habe immer gewußt, daß du nicht ganz bei Trost bist. Das habe ich schon bei unserer ersten Begegnung gemerkt. Alle Frauen sind überdreht. Ich sollte dir einen Eimer Wasser über den Kopf schütten.«
»Noch – nicht«, brachte ich heraus. Die Krämpfe ließen etwas nach. Ich mußte mir die Augen wischen.
»Da hast du es. Genau das brauchst du. Allein schon die Androhung von kaltem Wasser wirkt Wunder.« Bei dem Gedanken, wie klug er doch war, beruhigte er sich allmählich.
»Nein, nein«, rang ich nach Luft. »Das ist es doch gar nicht. Meine Seite – meine Seite tut so weh. Hilf mir, reibe sie – hier, wo es wehtut.« Mein Gott, wie ich ihn brauchte.
»Du bist blöde«, sagte er und legte seine große Hand auf die Prellung unter meinen Rippen, die ich ihm gezeigt hatte, und rieb sie.
»Du etwa nicht?« Die Frage ließ sich nicht unterdrücken. Mir war so ganz und gar kraftlos zumute, so als hätte ich gerade eine Krankheit überstanden.
»Natürlich nicht. Ich bin nie blöde.«
»Hast du aber ein Glück, daß du immer recht hast.« Ich setzte mich auf die Fensterbank, denn die Luft war mir immer noch knapp.
»Das ist eine Bürde, an die ich mich nur schwer
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