Die Vision
Nicht zu fassen!« als könnte ihn niemand hören. Gregory machte den Mund nicht auf, aber er sonnte sich in seinem Ruhm. Wenn nämlich Männer einen der Ihren bei der ›Ehre‹ gepackt haben, kann sich das Opfer gewöhnlich nicht herauswinden, auch wenn es das noch so gern möchte. Das ist genau wie mit einer Ehe, auf die man keinen Wert legt, die aber abgesprochen wird. Man kann nicht einfach ausrücken. Man muß es durchstehen und hoffen, daß sich alles zum Besten kehrt. Was es meiner Erfahrung nach in der Regel nicht tut.
Männer, o ja, die haben etwas übrig für das ganze Brimborium des Krieges. Sogar Gregory hatte diesen ernsten, verinnerlichten Blick, als er verkündete, er brauche einen neuen Brustharnisch und Helm, die seiner neuen Würde angemessener seien, und schon ging es auf nach London zum Waffenschmied, um eine Ausrüstung zu kaufen. Er kam mit allerhand Krimskrams zurück, darunter auch ein langer Militärmantel, der zum Reiten vorn und hinten bis zur Mitte geschlitzt war und die drei Muscheln und den roten Löwen der de Vilers aufgestickt trug. Es war, als hätte er sich eine Krankheit zugezogen. Wo waren sein Sinn für Humor, wo die leise Selbstironie geblieben, mit der er sich über sich selbst lustig machte, wenn er merkte, daß er sich besonders großgetan hatte, wo sein scharfes Auge, das allen weltlichen Lug und Trug durchschaute? Stolzgeschwellt von Ruhm und Ehre, so ging er einher, und früher hatte er darüber gespottet, wer wo saß, wer als erster bedient wurde, wieviele Reisige man einstellen mußte. Jetzt wollte er das Familienwappen abändern, damit er ein eigenes hätte, für wieviele Pferde sollte er sich verschulden, und sollte er ein Zelt bestellen und wenn, was für eines? Und ich bekam das natürlich auch zu spüren. Eines Tages kam er ganz erhitzt vom Drill mit diesem schaukelnden Reitergang nach Haus, den auch sein Vater und Bruder hatten, und redete mich in vollem Ernst mit ›Frau Gemahlin‹ an.
»Gregory!« Ich war entgeistert.
»Respektiere, bitte, meine Stellung«, sagte er, und ich suchte auf seinem Gesicht vergebens nach einem Anflug seines alten spöttischen Lächelns. »Du darfst mich Herr Gemahl nennen, oder, nach Pfingsten, Sir Gilbert. Du solltest dich daran gewöhnen, damit du nicht mich vor anderen blamierst.«
Ich drehte mich um und entfloh. Bei der Jungfrau Maria, dachte ich, viel fehlt nicht, und er ist wie sein Vater. Ich mußte mich verstecken, ich mußte nachdenken, doch überall wimmelte es von Familie und Knechten. Blieb mir nur die Kellertreppe mit den Spinnen, um mir die Tränen ab- und den Schmutz draufzuwischen.
»Lieber Gott, wie erlöst man Männer nur von ihrer Torheit?« weinte ich. Doch Gott, der häufig so geschwätzig ist, schwieg sich zu diesem Thema völlig aus. Ich wartete lange, bis keine Tränen mehr kommen wollten. »Du bist mir vielleicht eine Hilfe«, sagte ich, stand auf und wischte mir den Schmutz ab. »Ich finde, ein wenig Rücksichtnahme, und Du könntest mich nach Deinem göttlichen Rat führen, wo ich ihn so nötig brauche.« Ich glättete mein Überkleid und fand eine saubere Stelle an meinem Ärmel, mit der ich mir den Schmutz vom Gesicht wischen konnte. »Na ja«, sagte ich bei mir, »da sieht man es einmal wieder. Seit Anfang der Welt hat man Frauen mit Dummköpfen verheiratet, und bislang haben sie es noch nicht geschafft, etwas an der Situation zu ändern. Ich werde also mein Bestes versuchen, was bleibt mir sonst auch übrig.«
Und auf ging es nach Leicester um zuzusehen, wie Gregory zu Pfingsten in einer Massenzeremonie zum Ritter geschlagen wurde. Unter den Rittern waren ein paar spindeldürre, junge Söhne aus großen Familien – die trugen natürlich die Nase hoch und redeten nicht mit Hinz und Kunz. Aber sonst fühlte ich mich richtig heimisch in der Masse reicher Tuch- und Weinhändler und Seifensieder, die für die Ehre und deren Feier gutes, hartes Geld für sich oder ihre Söhne hatten springen lassen. Ein paar kannte ich sogar von London her, und einer hatte vor dem Gottesdienst die Frechheit, mich vor dem Kirchenportal anzurempeln und zu sagen: »Ei, ei, Mistress Margaret, weit haben wir es in der Welt gebracht, was?«
Frisch gebadet und von der Nachtwache vor dem Altar etwas hohläugig, so kamen die künftigen Ritter im Gänsemarsch in die Kirche, dann knieten sie zum Ritterschlag nieder und ließen sich vom Herzog Gehenk und Schwert überreichen. Gregorys Vater und Bruder schnallten ihm
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