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Die Vision

Die Vision

Titel: Die Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Wachmannschaft der dunklen Dame schrie der Mannschaft an Deck Befehle zu und trieb Arbeiter an, den Wagen fürs Verladen auseinanderzubauen.
    »Wir erkundigen uns, glaube ich, lieber woanders«, sagte Margaret und zog ihre Kinder fort vom Hafen.
    »He, Ihr da.« Jemand zupfte Margaret hinten am Umhang. »Ich habe gesehen, daß Ihr alles hier abklappert. Ihr seid auf Nachrichten aus Frankreich aus, was? Bordeaux?« Margaret drehte sich um und sah eine kräftige Frau in Holzpantinen mit einem Korb voll Fische auf dem Kopf. Mit der freien Hand hielt sie immer noch Margarets Umhang fest.
    »Nein, Nachrichten aus Calais – vom Heer des Herzogs, nicht vom Prinzen. Aber woher wißt Ihr das?«
    »Hier gibt es viele Euresgleichen – Frauen in Schwarz, die sich im Hafen herumtreiben. Heute verschwendet Ihr Eure Zeit, Mistress. Das letzte Schiff aus Calais ist vor fast einer Woche eingelaufen, und keiner weiß, ob noch eines kommt. Fragt doch lieber an der Brücke, welche Truppen über Land von Dover gekommen sind. Oder – also, wenn Ihr Glück habt, liegen noch ein paar Seeleute vom letzten Schiff besoffen im Goldenen Horn , da solltet Ihr auch nachfragen. Und dann ist da noch Der Schlüssel , wo die Soldaten nächtigen, aber das ist ein Hurenhaus, dort sollte sich eine ehrbare Frau nicht blicken lassen. Oder versucht es im Burghaus. Dort übernachten Leute von Stand, die auf dem Landweg von Cinque Ports kommen. Da erkundigen sich viele. Wonach sucht Ihr denn? Vater? Bruder? Oder Mann?«
    »Mann«, antwortete Margaret, dankte ihr und wollte gehen.
    »Dann ist es ja nicht so schlimm«, sagte die Frau und musterte Margaret und ihre Töchter mit Kennermiene. »Einen neuen Vater oder Bruder kriegt man nicht, aber Ehemänner gibt es auf dieser Welt zuhauf. Hört auf mich und nehmt Euren Kindern zuliebe einen neuen Mann.« Margaret blickte sie entgeistert an.
    »Dumme Gans«, sagte die Frau und sah Margaret nach, als diese in Richtung des Goldenen Horns davoneilte, an jeder Hand ein Kind und einen seltsam aussehenden Hund im Gefolge.

    Ich war sehr erleichtert, als Mutter Hilde berichtete, daß Sir Hugo noch nicht auf die Idee gekommen war, in meinem Londoner Haus nach mir zu suchen oder eine Wache aufzustellen, die mich gleich bei meiner Ankunft schnappte. Aber für so schlau hatte ich ihn ohnedies nicht gehalten.
    »Nicht zu fassen, ein Schwachkopf wie Sir Hugo und dann diese fremdländische Marquesa? Ei, Hilde, sie hätte ihn mitzockeln lassen wie ein Schoßhündchen, sie ist doch soviel klüger als er. Was mag nur über sie gekommen sein?«
    »Ach, Margaret, die Liebe geht seltsame Wege. Doch sie hätte, glaube ich, nicht lange gewährt. Wenn er erst herausgefunden hätte, daß sie ihn benutzt, er hätte sie erdrosselt oder ihr den Schädel eingeschlagen nach dem, was man dich so von ihm reden hört. Nein – in der Regel geht es nicht gut, wenn zwei so ungleiche Geister sich verbinden. Sie hat wahrscheinlich den besseren Teil erwählt.«
    »Aber sag doch, wie steht es im Haus? Geht es allen gut?«
    »Im Augenblick noch, Margaret, aber nicht mehr lange. Deine Knechte, der Küchenjunge, der Hausverwalter, die Köchin und ihre Hilfe sind aus Treue zu dir geblieben. Aber die Magd, die im Anrichteraum hilft, ist ausgerückt und hat geheiratet, und die Übrigen sind schlechter Dinge, weil diese knauserigen de Vilers ihnen keinen Lohn zahlen. Sie nagen am Hungertuch, und du kannst von Glück sagen, daß sie das Silber noch nicht versetzt haben. Ich habe bei Master Wengrave nebenan vorbeigeschaut. Master Kendalls Lehrjungen sehen aus, als würde gut für sie gesorgt, obwohl Mistress Wengrave sehr viel strenger mit ihnen ist als du. Ich habe ein wenig mit ihr geplaudert und ihr erzählt, was sich zugetragen hat. Sie sagt, du bist ihnen willkommen und bei ihnen sicherer als in der Kirche. Sie haben genug kräftige Burschen, um beliebig viele deiner angeheirateten Verwandten in die Flucht zu schlagen, und da man Master Wengrave zum Ratsherrn ernannt hat, würde niemand es wagen, dich oder seine Patenkinder gegen seinen Willen heimlich zu entführen. Nur deine Befürchtungen wegen des Herzogs, die habe ich ihnen lieber nicht mitgeteilt. Wenn daran auch nur ein Körnchen Wahrheit ist, so müßten sie dich ausliefern.«
    »Master Kendall hat immer gesagt, Master Wengrave steht seinen Mann, wenn es hart auf hart kommt. Ich weiß noch, wie er sein Testament gemacht und ihn zu Cecilys und Alisons Vormund eingesetzt hat. Damals habe ich nicht

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