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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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unterziehen. Das Bleichen der Haut war ihr besonders widerwärtig.
    »Ihr werdet sehen«, rief ihre Magd munter und füllte weißen Brei in einen Tiegel ab, »wenn wir das hier bis zur Hochzeit dreimal die Woche aufstreichen, werdet Ihr so hell wie Eure Schwester sein. Ihre Sklavin Melina verriet mir das Rezept.«
    Columba krauste die Stirn und schaute sich widerwillig im Spiegel an. »Du träumst, Mertgin, niemals werde ich so weiß wie unser Schwan. Vor kurzem hast du mich selbst noch eine Vogelscheuche und häßliche Krähe genannt.«
    »Die Freude wird Euch verschönern, das ist gewiß«, erklärte Mertgin und rührte die Hautbleiche glatt.
    Columba nahm gelangweilt das letzte Geschenk des Freiherrn zur Hand. Eine Parfümflasche aus Bernstein, deren Stöpsel mit dem Wappen der van Gelderns – dem Greif auf dem Blitzbündel – geschmückt war.
    »Mein Vater wird ihm eine ordentliche Mitgift versprochen haben, sonst würde er sich nicht so in weitere Schulden stürzen«, sagte sie mißmutig und hob den Stöpsel an. Sie schnupperte und stellte das Fläschchen angewidert ab. »Wie grauenhaft. Mit Geld kann man sich keinen feinen Geschmack kaufen.«
    »Aber ein angenehmes, würdiges Leben führen«, erwiderte Mertgin streng. »Ihr werdet in Dordrecht zu den ersten Bürgerfrauen der Stadt zählen. Und darum wünscht der Junker auch, daß Ihr so schön und prächtig wie möglich auftretet.«
    »Aber muß ich darum riechen, als wäre ich in ein Faß Jasminöl gefallen? Ich liebe diese schweren, süßen Düfte nicht. Sie erinnern mich an Juliana. Soll sie das Parfüm ruhig haben, vielleicht betrügt den Freiherrn seine Nase, und er stellt meiner Schwester nach. Noch wäre Zeit, das Heiratsversprechen zu lösen.«
    »Columba!«
    »Juliana wäre begeistert von all diesem Plunder.«
    »Ihr irrt, egal mit wieviel Prunk sie sich umgibt, sie ist vor allem der Kirche zugetan. Seit Tagen schon besucht sie jede Messe in Sankt Alban, erhebt sich sogar des Nachts zum Gebet und sucht häufig den Konvent Rebeccas auf, um sie zu pflegen und den Frauen zur Hand zu gehen. Eure Torheiten mit dem Ketzerpack haben Eure Schwester arg mitgenommen. Ihr solltet dankbar sein, daß sie so inbrünstig für das Wohl der Familie arbeitet und betet.«
    Columba schnaubte verächtlich. »Mich täuscht sie nicht. Ich bin sicher, ihr frommes Getue gilt allein dem bleichen Diakon. Auch zu den Beginen geht sie nur, wenn er dort ist, um Rebecca die Beichte abzunehmen. Sie ist gewiß grün vor Eifersucht – trotz ihres sagenhaften Bleichmittels.«
    Mertgin schwieg entsetzt, trat von hinten an ihren Schützling heran und strich ohne Vorwarnung mit einem Pinsel die beißende Paste auf Columbas Stirn und Nase auf.
    »Verfl ...«, stieß das überraschte Mädchen hervor. Eine große Portion Brei füllte ihren Mund und verschluckte den Fluch.
    »Vielleicht«, sagte Mertgin voll grimmiger Genugtuung, »hilft dieses wundervolle Mittel bei Euch wenigstens von innen.«
    9
    I ch will ihn nicht sehen, sag ihm, ich sei zu krank, um ihn zu empfangen.« Erschöpft ließ Rebecca den Kopf auf das mit Hirse gefüllte Kissen sinken.
    »Er ist dein Beichtvater, du mußt ihn vorlassen«, entgegnete Anna bestimmt. »Es geht um dein Seelenheil.«
    »Wenn es darum geht, so schicke nach einem anderen Priester«, sagte Rebecca müde. Sie dachte an die Briefe des Diakons, die er ihr fast täglich schrieb und nach den Beichtgesprächen aufdrängte.
    »Keinen Namen der Liebe« , hatte es im letzten geheißen, »so ausgesucht er sein mag, kann ich sagen, der da hinreichte, auch nur zum hundertsten Teil genügend die himmlische Liebe auszudrücken, die ich für Dich empfinde. Sie ist ganz lauter und voller Segen Gottes und Zerschmelzen des Herzens. Herrliche, ich dürste nach Deinen Küssen, die Küsse des Herrn sind, erhöre mich.«
    Die Zeilen waren verbrannt, doch die Worte in ihrem Gedächtnis nicht ausgelöscht. Satan verdarb nicht nur sie, er machte sie auch zu einer Verderberin. Die Briefe des Kirchenmannes bewiesen ihr endgültig, daß es nicht Gott war, der ihr die Träume, die Schmerzen, die Ekstasen schickte. Sie konnte es nicht zulassen, sie mußte sich – um jeden Preis – aus Satans Macht befreien, doch sie fühlte sich schwach. Nachts erbrach sie inzwischen Blut und weiße Galle, des Tags aß sie nichts, um sich zu reinigen und trug einen Gürtel mit Eisendornen. Es nützte nichts. Auch Doktor Birckmann wußte keinen Rat. Von Dämonen freilich wollte er nichts wissen,

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