Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Subsidien für die Universität und die Schulen, die er für einen Hort der Ungläubigen hielt?«
Der Zweite Bürgermeister nickte gemütlich. »Ja, diese Zuschüsse und andere, gewiß. Nun, es liegt an Euch und Don Cristobals Bericht, welchen ersten Eindruck Seine Heiligkeit, Pius der Fünfte, von Köln gewinnt. Wir können erst später einen Gesandten schicken, andere Geschäfte sind dringlicher.«
Van Geldern nickte. »Was in meiner Macht steht, werde ich tun. Zumal ich auch auf Eure Großzügigkeit vertraue, wo es um den Erweiterungsbau meines Hauses geht.«
Der Zweite Bürgermeister lächelte süßlich. Van Geldern war zufrieden. »Ich werde mit Don Cristobal sprechen. Ihr wißt, mein Herz schlägt für unsere Kirche.«
Galisius stieß heftig den Atem aus. Ein Mißgünstiger hätte es für einen Laut der Verachtung nehmen können. Der glattrasierte Spanier betrachtete ihn amüsiert.
Der Zweite Bürgermeister achtete nicht auf den Spanier und erst recht nicht auf Galisius. Schon aus Prinzip: Man liebte die Erzbischöfe und ihre Höflinge nicht zu Köln, sie waren zu machtgierig, immer noch darauf bedacht, die herrliche Freie Reichsstadt unter ihre Herrschaft zu bringen. »Nun, lieber van Geldern«, hob lächelnd der Zweite Bürgermeister wieder an, »Eure Fürsprache wird die Sache richten.« Er senkte die Stimme. »Und dazu noch unser besonderes Geschenk an Don Cristobal und sein Gefolge.«
»Ein Geschenk?« fragte mit gedämpfter Neugier der Kaufmann.
Der Zweite Bürgermeister kicherte. »Sozusagen. Wir haben uns entschieden, eben heute, dieses widerliche Nest von Wiedertäufern auszuheben, von dem unsere gefangenen Ketzer geplaudert haben. Nahe der Alten Mauer am Bach. Die Namen sind uns schon lange bekannt. Der Gebrannte Kopf und ähnliches Gelichter. Die dafür angeworbenen kölnischen Söldner sammeln sich bei den Spaniern auf dem Thurnmarkt. Eine gemeinsame Unternehmung, das schweißt zusammen und tötet die Langeweile.«
Täuschte sich van Geldern oder hatte der junge Degenträger mit dem glatten Kinn eben mit dem Kopf gezuckt. Woher nur kannte er dieses Gesicht?
»Ihr wißt, van Geldern«, flüsterte nun der Zweite Bürgermeister mit listigem Blick, »unser Rat vermeidet im allgemeinen zuviel Aufhebens um diese elenden Glaubenszweifler, aber Don Cristobal deutete an, daß den Spaniern unser freizügiger Handel mit den niederländischen Calvinisten ein Dorn im Auge ist. Daher ist es sinnvoll, ein hochlöbliches Exempel zu setzen.« Der Bürgermeister senkte seine Stimme noch weiter. »Ein Exempel, das unseren Handelsinteressen nicht zuwiderläuft, Ihr versteht?« Natürlich verstand der Kaufmann. Die niederländischen Calviner, mit denen man Handel trieb, waren reich und brachten viele Gulden in die Stadt, man wollte sie schonen. Die Wiedertäufer hingegen fanden ihre Anhänger vor allem beim armen Gesindel, kleinen Handwerkern und unbedeutenden Häuslern. Sie konnte man leicht der Verfolgung opfern, um ein Beispiel der eigenen Rechtgläubigkeit zu liefern.
»Es ist nicht ratsam«, nahm der Zweite Bürgermeister das Gespräch wieder auf, »hochstehende, angesehene Händler anzugreifen« – wie die calvinischen, fügte van Geldern im Geiste hinzu –, »das könnte den Pöbel auf falsche Gedanken und in Aufruhr gegen die Ordnung bringen. Ein Ketzerverdacht ist schnell gestreut, aber er sollte sich nicht gegen ehrbare Bürger und unseresgleichen richten, nicht wahr?«
Der Zug setzte sich wieder in Bewegung, der Bürgermeister machte eine unbeteiligte Miene, das Gespräch war beendet. Van Geldern genoß zum ersten Mal, von allen Sorgen befreit, die klare Luft des Frostes. Man hatte ihn eingeweiht in die geheimsten Pläne des Rates, man hatte ihm diesen ärgerlichen Zwischenfall im Weingarten endgültig vergeben, ja man hatte ihn vergessen, weil er Zugang zu dem mächtigen spanischen Höfling hatte. Nur das zählte. Das Glück lachte ihm, er freute sich auf die Messe in der Ratskapelle und war bereit, den Herrn zu lobpreisen und ihm zu danken. Sein Herz schlug hoch, als er die Flügeltür der Kapelle erreichte. Der Duft von Weihrauch kräuselte sich in die Luft. Doch bevor der Kaufmann hinter dem Zweiten Bürgermeister eintreten konnte, zupfte ihn ein hageres Männchen am Ärmel. Ärgerlich blickte van Geldern in das ihm wohlbekannte vertrocknete Gesicht.
»Was willst du«, zischte er ungehalten, »dein Platz ist woanders.«
»Mit Verlaub«, flüsterte der Schwarzgekleidete, »Eure
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