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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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klingt wie«, sie suchte vergeblich nach Worten und brach ab. Dann lächelte sie plötzlich. »Was schwätze ich da. Das Gebot der Nächstenliebe sagt mir, daß ich deine Verbände wechseln und dir eine Suppe zum Frühstück bereiten sollte.«
    Sie legte mit geschickten Händen die Wunde frei. Das Fleisch schimmerte rosig, aller Eiter war abgeflossen. Mit dem vom Feldscher beschriebenen Sud wusch sie die Wundränder, um eine weitere Entzündung zu vermeiden, dann legte sie neue Leinenstreifen darüber, half Lazarus sich aufzurichten, kreuzte die Bänder auf seinem Rücken und verknotete sie. Danach stand sie auf, um in der Küche des Gasthauses einen Brei zu holen. »Ich werde ihn mit einem Löffel Honig und etwas Malz würzen, das bringt Kräfte«, versprach sie.
    Lazarus lächelte unter Schmerzen. »Du hast recht, liebe Tringin. Ich will so rasch wie möglich wieder zu Kräften kommen, um die Reise nach Köln anzutreten.«
    Tringin, die schon bei der Tür stand, erstarrte. »Das kannst du nicht tun, Lazarus. Haben wir dich darum wieder zusammengeflickt, damit du in deinen sicheren Tod reitest?«
    »Tod? Wer spricht hier vom Tod?« unterbrach sie lärmend der Feldhauptmann Don Seraph. Er drückte die Tür weit auf und sah Lazarus mit offenen Augen in den Kissen liegen.
    »Ich sehe hier einen, der eben unter die Lebenden zurückgekehrt ist. Gott zum Gruße, Lazarus. Bist du wieder einmal dem Teufel von der Schippe gesprungen? Bei meiner Seele, würde ich dich nicht besser kennen, ich würde meinen, daß du mit ihm einen Seelenpakt geschlossen hast.« Mit diesen Worten stürmte er zum Bett des Verwundeten und hielt sich eben noch zurück, ihn herzlich zu umarmen.
    Lazarus lächelte matt. »Don Seraph! Deine Freundlichkeit ehrt mich, aber sie ist verschwendet, nun, da du mein Leben gerettet hast, schuldest du mir nichts weiter.«
    Der Feldhauptmann setzte eine empörte Miene auf. »Kerl, was redest du? Schätzt du meine Freundschaft so gering? Los, Mädchen, spute dich und besorge eine Mahlzeit für diesen elenden Spottvogel. Wenn er erst wieder bei Kräften ist, werde ich ihn in meinen Dienst zurücknehmen. Solch ein unverwüstlicher Kämpfer ist im Feld nicht mit Gold aufzuwiegen. Der nimmt es mit jedem Hellebardenträger auf und mäht mir die stolzesten Reiter aus dem Sattel. Noch heute wird er mir den Werbebrief gegenzeichnen. Meine Satteltaschen sind voll von spanischen Golddublonen. Herzog Alba stattete mich aus, um seine Vorhut zu bilden. Ich habe Sold für viertausend, ein ganzes Regiment In wenigen Tagen, Lazarus, reitest du wieder an meiner Seite. Es mangelt nicht an Narren, die wir zu unseren Feinden machen können.«

VII.
    Von Heiligen und Huren
    1
    G anz Köln trug Sonntagsstaat. Man feierte die kirchlichen Feste gern, und man feierte oft. Neben den Sonntagen kannte der Kirchenkalender der heiligen Stadt achtundvierzig hohe Feiertage, an denen weder gewebt, gebraut, gehandelt noch auf andere Weise gearbeitet werden durfte. Dem Apostel Matthias zu Ehren wurde heute von der Laudes bis zum Kompletorium gesungen, gebetet und gepredigt. Zahlreiche Pilger, viele davon aus dem fernen Ungarn, bevölkerten die Stadt, um die in ganz Europa berühmten Reliquien des nordischen Jerusalems zu verehren. Die Gebeine der Heiligen Drei Könige, die Knöchelchen und Schädelsplitter der elftausend Jungfrauen der heiligen Ursula, die Überreste der Heiligen Lanze, dazu Fingerkuppen, Scham- und Körperhaare, Zähne und gedörrte Innereien unzähliger anderer Märtyrer.
    Der Weihbischof des Kurfürsten würde das mittägliche Hochamt im Dom zelebrieren, und auch in Kölns anderen Kirchen ließen es sich an diesem hohen Feiertag die Priesterherren nicht nehmen, die Messen selbst zu feiern. Daher vermißten die Gläubigen in St. Alban den Diakon nicht, während der Priesterherr den Säumigen mit einer entsprechenden Buße zu belegen gedachte.
    Jetzt rief der Klang der Glocken zur Prim und zur ersten Messe. In der Sakristei streifte der Kirchenmann seinen seidenen Chormantel über und prüfte in einem Spiegel, den einer der Meßdiener ihm hinhielt, die Wirkung der vornehmen Tracht. »Vorzüglich«, murmelte er in das Geläut der Glocken hinein.
    »Eine Begine aus dem Konvent der Magistra Rebecca hat ihn gewebt«, sagte einer der Subdiakone und verneigte sich.
    »Recht ordentlich«, schwächte der Priesterherr sein Lob ab, »werden wir heute nicht noch mehr von dieser Kunst zu Gesicht bekommen?«
    Der Subdiakon nickte. »Nach der

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