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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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sagte er, »hat der Bürgermeister in Verwahrung genommen.«
    »Der Bürgermeister? Wie konntet Ihr das zulassen«, protestierte Galisius. »Er wurde auf Kirchengrund enthüllt und ist eines unserer ersten Beweisstücke.«
    »Nun«, erwiderte der Greve, »der Bürgermeister hält ihn dagegen für ein Kunstwerk. Er zeigte mir in seiner Sammlung das Bild eines flämischen Malers mit Namen Bruegel. Ich sage dir, dieses Bild war bei weitem grauenvoller als der Teppich.«
    »Dann ist auch der ein Satanist!« empörte sich Galisius triumphierend.
    »Wohl kaum«, bemerkte der Greve knapp, »immerhin sammelt König Philipp selbst die Bilder dieses Mannes, um sie im Escorial in seinen Schlafgemächern aufzuheben.«
    Galisius schnappte nach Luft. »Unmöglich!«
    »Unmöglich?« wiederholte der Greve fragend. »Kommt es nicht lediglich darauf an, wie man solche Bilder oder den Teppich betrachtet? Der Bürgermeister versicherte mir, daß diese Grausamkeiten nur der Läuterung dienen und uns die eigene Sündhaftigkeit und Endlichkeit vor Augen führen.«
    Galisius runzelte angewidert die Stirn. »Eine sehr leichtfertige Begründung. Der Teppich muß Gegenstand der Untersuchung sein.«
    »Der Erzbischof ist anderer Ansicht. Er teilte mir mit, daß er keinesfalls eine weitere öffentliche Zurschaustellung des Tuches wünscht, was bei einem Prozeß unvermeidbar wäre. Überlassen wir es also dem Bürgermeister, der genug Sinn und Verstand besitzt, um die läuternde Wirkung der Stickerei zu genießen. Unser Geschäft ist eine Anklage auf Ketzerei und Mord. Lassen wir es dabei bewenden.«
    Eifrig nickten die Schöffen, unzufrieden folgte der Inquisitor den anderen die Stufen hinab zu den Verliesen und dem Folterkeller. Wie töricht und verblendet die Welt doch ist, dachte er grimmig, man wollte die Hexen nicht sehen, selbst wenn sie einem direkt auf dem Schoß saßen. So wie auf dem Teppich Rebeccas eine gehörnte Buhle zwischen den Schenkeln des Erzbischofs.
    Was für eine leichtsinnige, unverständliche Entscheidung, solch einen Beweis für das Wirken Satans zu unterdrücken. Angewidert von der Unvernunft des Greven betrat er den beinahe kreisrunden Folterkeller, an den sich zwei Stufen höher ein Raum für Beobachter anschloß. Ein Tisch trennte diesen Raum von dem Folterrund, dahinter pflegten Schöffen und Greve Platz zu nehmen, um dem Schauspiel von Tortur und Geständnis beizuwohnen. Vom Tisch aus konnte man genau beobachten, was der Delinquentin geschah und ob ihre Leiden echt waren. Zugleich diente der Tisch der Bequemlichkeit der Juristen, indem sie daran ihre Mahlzeiten einnehmen konnten, wenn sich ein Beschuldigter bei der Folter als so hartnäckig und verstockt erwies, daß die Prozedur über Gebühr verlängert werden mußte. Nicht wenige Folterknechte haßten die Standhaften unter den Gefolterten regelrecht, denn immer grauslicher war deren Pein mit anzusehen, kaum zu ertragen. Es verdarb die Lust am eigenen Handwerk, weshalb sie ihren Opfern nach ein oder zwei Foltergängen stets rieten, zu gestehen und hinterher zu widerrufen, um ihnen die zunehmenden Schmerzen und sich selbst den Anblick der ausgekugelten Gelenke, der gesprungenen Sehnen, der blutgeschwollenen, zerschmetterten Gliedmaßen zu ersparen.
    Galisius prüfte nun mit kundigen Händen die Gerätschaften. Mit strenger Miene postierten sich Greve und Schöffen hinter der Streckbank.
    Galisius stellte sich feierlich davor. Der Kerkermeister führte Rebecca herein. Bleich war sie, ein Anblick des Jammers und der Schwäche, kaum konnte sie sich auf den Beinen halten.
    Übles Teufelsaas, elende Schauspielerin, dachte Galisius und sah sie kalt an.
    Rebecca taumelte ihm entgegen, starr und durchdringend schaute sie ihm ins Gesicht.
    Galisius griff nach dem silbernen Kreuz, das um seinen Hals hing, als suche er Schutz vor dem bösen Blick. Er riß es hoch und hielt es der Begine entgegen.
    Rebecca stürzte darauf zu, griff danach, küßte es, dann fiel sie vor dem zitternden Mann auf die Knie.
    »Seliger!« rief sie. »Ich sehe, Ihr seid gekommen, um mich zu retten. Der Erzbischof hat meinen Brief also erhalten.«
    Verwirrt entwand Galisius der Frau das Kreuz. »Was faselst du da, sündiges Weib, weißt du nicht, was dich erwartet?«
    »Ich weiß es, denn Jesus Christus selbst steht neben Euch. Er segnet, was hier geschieht. Ich sehe ihn deutlich, ein weißes Lamm trägt er vor der Brust. Agnus dei. Foltere mich, demütige mich, erlöse mich.« Sie faltete die

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