Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Erzbischof gesandte Galisius, die Ketzerin Rebecca mit der Folter zu konfrontieren.
Dem Exorzisten und von Rom eingesetzten Inquisitor Galisius war die heitere Gelassenheit der Begine zuwider. »Dreist ist sie, als sei sie mit Satan im Bunde«, sagte er beim Frühstück im Amtszimmer des geistlichen Richters und schob voll Abscheu seine Breischüssel zur Seite. Der Greve stieß sein Messer in ein Stück Käse und steckte es sich genüßlich in den Mund. Heftig kauend sagte er: »Kein Wort von Satan oder Hexerei, werter Galisius. Es handelt sich um ein Vergehen wider die Religion. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. In dem Konvent scheint es zu geheimen Konventikeln gekommen zu sein. Wir fanden in einer Truhe Rebeccas eine lutherische Ketzerbibel.«
Die Schöffen nickten. »Und doch würde ich sie gerne einmal auf Hexenmale untersuchen«, beharrte der schmächtige Mann im purpurfarbenen Seidengewand. »Daß sie nicht weint, nicht klagt, nährt meine Überzeugung, daß der Leibhaftige seine Hand im Spiel haben könnte. Ihr wißt, was im Hexenhammer über die fehlenden Tränen der Teufelshuren steht.«
Der Greve legte seufzend sein Messer nieder. »In dem gleichen Buch steht auch, daß besonders heftiges Wehklagen ein Indiz für zauberische Umtriebe ist. Diese ganze Hexengeschichte ist ein vertracktes Ding.«
Galisius nickte eifrig. »Fürwahr, darum beschäftigen sich auch nur die besten Wissenschaftler damit.«
Einer der Schöffen verdrehte heimlich die Augen. Dieser Galisius war fürwahr ein eingebildeter Geck.
»In diesem Fall aber«, bemerkte der Greve, »halte ich dafür, nicht auf Magie und Schadenszauber zu untersuchen. Über die Frau Rebecca gehen zuviel widersprüchliche Berichte um. Noch vor kurzem wurde sie überall verehrt wie eine Heilige. Was, wenn unsere Untersuchungen genau das bestätigten? Wer eine Frau auf Hexerei untersucht, kann auch zu dem Ergebnis kommen, daß das Gegenteil der Fall ist. Einige Weiber ihres Konvents sind immer noch davon überzeugt, daß ihre Visionen und Ekstasen von Gott gewirkt sind.«
»Weiber!« warf Galisius verächtlich ein. »Seit dem fünften Laterankonzil fünfzehnhundertsechzehn steht der Beschluß, daß alle Prophezeiungen und Visionen von Beginen der kirchlichen Überprüfung bedürfen. Die Magistra hätte sich nicht dagegen sperren dürfen. Schon das macht sie verdächtig.«
»Eben darum, so sagen einige der Schwestern«, warf einer der Schöffen ein, »soll der Diakon in jener Nacht im Konvent gewesen sein.«
»Nachts?« rief Galisius mit spitzer Stimme.
»Es heißt, daß zu eben dieser Zeit die Visionen der Magistra besonders häufig auftraten«, bemerkte der Schöffe. »Außerdem schrieb sie selber einen Brief an den Erzbischof, in dem sie um eine Überprüfung bat. Er kam erst nach der Karnevalszeit an, aber er beweist ...«
»Nichts beweist er«, ereiferte sich Galisius.
»Werte Herren«, sagte der Greve beschwichtigend, »Ihr seht, daß unser Streit zu nichts führt. Vergessen wir diesen ganzen Hokuspokus um Visionen und Ekstasen. Seit die Frau Rebecca hier einsitzt, hatte sie keine ihrer merkwürdigen Heimsuchungen. Und was den Diakon angeht, so ist es besser, wenn wir nicht zu viel Aufhebens um seine Anwesenheit im Konvent machen, sonst wird das Volk eine Erklärung für den nächtlichen Besuch finden, die dem Ansehen unserer Mutter Kirche mehr schadet als alle Ketzereien.«
Galisius warf ihm einen entsetzten Blick zu. »Da sei Gott vor«, sagte er ernst. »Seine Eminenz, der Erzbischof, legt großen Wert darauf, daß man seine Maßnahmen zur Besserung des kölnischen Klerus in Rom anerkennt. Der Ruf der Diözese hat ohnehin genug gelitten in den letzten Jahren.«
Munter und vom Mahl gestärkt schlug der Greve die Handflächen auf den Tisch. »Nun denn, dann sind wir uns also einig. Führen wir die Angeklagte in den Folterkeller.« Er wandte sich an Galisius. »Ihr übernehmt wie immer die Erläuterung von Streckbank, Daumenschrauben, Knebel und Eisendornen, wie ich annehme?«
Galisius nickte geistesabwesend. Noch immer schien er nicht ganz zufrieden. »Was aber ist mit dem Altartuch von Sankt Alban? Diese bösartigen, grauenvollen Höllenbilder, wie wollt Ihr die erklären, ohne den Teufel dafür verantwortlich zu machen? Kein Mensch kann solch widerliche Bilder erfinden.«
Einer der Schöffen wagte es zu grinsen. Galisius warf ihm einen tadelnden Blick zu. Der Greve erhob sich vom Tisch und legte seine Amtsrobe um. »Diesen Teppich«,
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