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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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flehender Stimme, »bitte hilf mir. Kennst du kein anderes Mittel als diesen Wermut? Kannst nicht du zu Rebecca gehen?«
    Melina schüttelte den Kopf. »Das könnt Ihr nicht verlangen. Was soll sie noch für Euch tun? Nie und nimmer würde sie einen Kindsmord auf sich laden.«
    »Dann besorge mir ein anderes Weib mit kundigen Händen. Frage im Hurenhaus auf dem Berlich. Es gibt solche Weiber, ich weiß es.«
    »Es heißt, sie töten mit dem Kind auch meist die Mutter.« Juliana erhob sich aus dem Wasser, Übelkeit stieg in ihr hoch, ihr Unterleib zog sich in Krämpfen zusammen. »Hilf mir hinaus.«
    Melina reichte ihrer Herrin die Hand. Mertgin wagte einen Blick durch den Türspalt und sah, daß die Haut Julianas am ganzen Leib heftig gerötet war. Heftig krümmte sie sich plötzlich zusammen und erbrach sich mit einem Schwall in die Wanne.
    »Es wird leben«, sagte Melina traurig. Es dauerte sie, ihre Herrin so zu sehen.
    Verzweifelt schluchzend sank Juliana auf die Knie. »Sag mir, was ich tun soll, Melina, sag es mir. Verzeih, was ich je gegen dich getan habe, ich war hochmütig und boshaft. Die Liebe zu dem Diakon machte mich blind, die Eifersucht zerfraß mir das Herz. Aber sag, war ich nicht auch gut zu dir in den Jahren zuvor?«
    »Das wart Ihr.«
    »Dann bitte sag mir, was ich noch tun kann.« Sie streckte sich wimmernd auf dem nassen, glatten Boden aus.
    Melina schaute auf die sich windende Frau. Tief war sie gefallen, tiefer als Melina es je zu hoffen gewagt hatte, als sie selbst noch in den Diakon verliebt gewesen war. Vorbei, vorbei. Liebe und Eifersucht waren zerronnen wie eine Schneeflocke.
    »Ich wüßte einen Ausweg«, sagte Melina endlich. »Ihr müßt heiraten.«
    Mertgin schlug ein Kreuz. Fast widerwillig nickte sie.
    Juliana hielt in ihrem Schluchzen inne. »Heiraten? Wen denn nur? Seit mein Vater in die elende Pulvergeschichte verstrickt war, seit die Tante in der Hacht gefangen ist, haben sich alle Bewerber zurückgezogen. Mir bleibt keine Zeit, auf ihre Rückkehr zu warten. Es gibt auch keinen, den ich je soweit ermutigte, daß er in Liebe zu mir entbrannt ist und eilig genug, um mich binnen der nächsten zwei Wochen zu heiraten.«
    »Ihr braucht nicht auf einen Bewerber zu warten. Der Mann, den ich meine, ist bereits im Haus.«
    Juliana hob ihr tränennasses Gesicht und schaute die schwarze Magd verwirrt an.
    »Ich meine den Freiherrn van Ypern.«
    Mertgin griff nach dem Türriegel um nicht zu taumeln, der Atem stockte ihr.
    »Der Verlobte meiner Schwester?« fragte Juliana ungläubig.
    »Gewiß.«
    »Er hofft noch immer auf ihre Rückkehr. Mein Vater hat es ihm zugesagt.«
    »Ihr kennt Columba. Sie ist störrisch wie ein Esel. Sie will den Junker nicht heiraten, und selbst wenn sie sich anders besänne, Euch bleibt bis dahin Zeit genug, ihn für Euch zu gewinnen. Ihr wißt, er braucht die Mitgift, er braucht Geld.«
    »Er ist ein widerwärtiger, dummer Tölpel.«
    »Und eben darum der geeignete Kandidat für eine rasche Heirat.« Und das beste Mittel gegen den gefährlichen Hochmut meiner Herrin, dachte sie bei sich. »Rasch, ich werde Euer Haar frisieren. Dann legt Ihr Eure besten Kleider an. Schon beim Abendessen könnt Ihr ihn mit Eurem schönsten Lächeln empfangen.«
    Mertgin hatte genug gehört. Auf leisen Sohlen flog sie über den Gang. Sie brauchte Muße, Ruhe, um nachzudenken. Keinen Augenblick zweifelte sie daran, daß Juliana Erfolg haben würde, wenn sie sich zu dem falschen Spiel entschlösse. Doch das wollte die alte Magd verhindern. Der Junker war Columbas Bräutigam, es sollte eine Hochzeit geben.
    Mit zitternder Hand tastete sie nach dem Brief, den sie seit Tagen in ihrer Rocktasche versteckt hielt. Sie hatte ihn abgefangen, ein Zufall für den sie dankbar war. Ach was, Zufall, eine Fügung des Herrn. Der Brief stammte von Lazarus’ Hand. Der elende Ketzerfreund lebte! Und kündigte seine Rückkehr nach Köln an, schrieb von Liebe, bat um Vergebung für seine Vergehen am Vater. Eile war geboten. Was, wenn er tatsächlich wiederkehrte, heimlich, in einer Maske? Er würde erfahren, daß sich der Verdacht gegen den Kaufherrn zerschlagen hatte. Und Columba? Warum sollte sie Begine bleiben, wenn der einzige Grund, der sie zu diesem Schritt bewegt hatte, nichtig wurde. Mertgin schüttelte entschlossen den Kopf. Columba und der Ketzer. Nein, diese Verbindung mußte sie um jeden Preis verhindern.
    Columba mußte fort. Eine Heirat würde sie endlich aus Köln wegbringen, wo überall

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