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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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taumelnd fiel sie hinunter, ein Windzug erhaschte sie von der Tür her, wirbelte sie hoch, dahin wo Rebecca saß, sanft fiel sie herab, genau in den Schoß der Angeklagten.
    »Ein Zeichen des Herrn«, murmelte der Dompriester.
    »Blendwerk!« schrie Galisius. »Elendes Blendwerk. Schafft sie fort, schafft sie fort, bevor sie uns alle behext. Stellt sie unter strengste Bewachung. Ich selbst nehme Quartier im Palast.«

VIII.
    Die Rückkehr
    1
    E in scharfer Nachtritt lag hinter ihnen. Nun gönnten sie den Pferden eine gemächlichere Gangart. Das Land lag reingefegt vom Atem des Meeres, am Wegrand grüßten hohe Pappeln und Weiden, vom Wind geduckt, die beiden Reiter. In grünlich schillernden Dorfteichen spiegelte sich der hohe Himmel, wie einsame Riesen erhoben sich die Kirchtürme in den Ebenen. Auf den Kanälen fuhren Segelschiffe, auf frühlingsnassen Weiden graste friedlich das Vieh.
    »Ein reiches Land«, bemerkte Don Seraph zufrieden, »und leicht zu plündern.«
    Lazarus warf ihm einen müden Seitenblick zu. »Ich wünschte, du sprächest nicht immer von diesem Krieg.« Dann drehte er sich im Sattel und suchte das weite, flache Land hinter sich ab. Die Nachhut, ein Troß von etwa fünfzig Mann, Don Seraphs verwegenste Kämpfer, war noch nicht zu sehen. Tringin war unter ihnen. Mit wippenden Füßen ritt sie auf einem hübschen Esel, tapfer hielt sie sich im Sattel. Ihr Anblick war Don Seraph eine Freude gewesen. Ein wenig neidete er dem Freund die Liebe dieses Mädchens, doch lenkten ihn die Geschäfte in Brüssel angenehm ab.
    »Wer weiß«, sagte er in das regelmäßige Trappeln der Hufe hinein, »vielleicht hat die Generalstatthalterin schon genaue Marschbefehle für uns. Mag sein, daß es einige Dörfer zu überrennen und zu befrieden gibt. Im Flandrischen sollen die Heckenprediger schon reichlich Zulauf haben.«
    Lazarus war nicht bereit, ein solches Gespräch – ausgerechnet über seine Heimat – fortzusetzen, und obwohl seine Lungen wieder schmerzten, gab er seinem Pferd die Sporen und legte erneut einen Galopp vor. Derb und fröhlich fluchend tat der Freund es ihm nach und in einer Art Wettrennen erreichten sie endlich die Tore Brüssels. Der erzerne Schall der Kirchenglocken und das Geläut des mächtigen Belfrieds am Markt begrüßten sie mit zehn Schlägen. Ein plötzlicher Nebel lag wie Pulverdampf über der Stadt.
    Als die beiden nach spanischer Mode gewandeten Kriegsmänner durch die Straßen ritten, trafen sie mißmutige Blicke, heimlich spuckte man hinter ihnen aus. Verhaltene Unruhe füllte die Gassen und Plätze. Zwei Tage zuvor war eine Kavalkade von etwa dreihundert niederländischen Adligen eingeritten, und man hatte sie begeistert begrüßt. In den Satteltaschen trugen sie eine Bittschrift, die sie heute der Generalstatthalterin übergeben wollten. Darin forderten sie eine Entschärfung der Ketzeredikte. Christkatholische Barone hatten ebenso unterzeichnet wie calvinistische Provinzfürsten. Vor dem Hause Wilhelms von Oranien, nahe beim Stadtpalast der Regentin Margarethe, waren sie abgestiegen. Doch der deutschstämmige Provinz-Gouverneur Wilhelm von Oranien – der Ziehsohn von Philipps Vater, Kaiser Karl – verhielt sich klug und zurückhaltend, wie es seine Art war. Nicht umsonst trug er den Beinamen »der Schweiger«. Nicht, daß er einem Gespräch, munterem Plaudern oder dem Austausch von Gedanken abgeneigt war, aber auf seinem dunklen Gesicht, in seinen braunen Augen vermochte niemand zu lesen, wie er wirklich über den gärenden Aufruhr gegen die spanische Herrschaft und die Inquisition dachte. Immerhin war seine Frau eine Protestantin, wenn sie auch in den Niederlanden stets die Messe besuchte. Und schon dieser Umstand gab den meist jugendlichen adligen Bittstellern Hoffnung, er möge ihr Führer werden in einem Kampf um die Freiheit der Niederlande.
    Lazarus und Don Seraph erreichten den Sandplatz vor dem Palast. In kleinen Grüppchen standen dort die Männer beisammen, die heute bei Margarethe vorsprechen wollten. Deren Halfter waren leer, sie trugen keine Schwerter, dennoch waren die Palastsoldaten merklich nervös.
    Don Seraph sprang vor den Stufen zum Palast vom Pferd, stürmte die Treppe hinauf und wurde mit vorgehaltener Hellebarde begrüßt. Kopfschüttelnd schlug er seinen Mantel zurück, griff in sein Wams und zog die Botschaft der Generalstatthalterin hervor.
    Der Wachmann erkannte das Siegel, ließ den eisernen Spieß sinken. Pagen eilten herbei und führten die

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