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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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eilte zur Tür.
    Der Kaufherr rief sie kurz zurück. »Schicke den Freiherrn zu mir. Er soll die gute Nachricht auch erfahren. Wir können unser Haus sehr bald zur Hochzeit rüsten.«
    »Sofort!« rief Mertgin froh. »Sofort.«
    3
    W ilhelm von Oranien liebte es, seine Gäste vom Bett aus in seinem Brüsseler Stadtpalais zu empfangen. So auch an diesem Abend. Er war erschöpft von der langen Sitzung des Staatsrates, bei der die Petition der jungen Adligen in flammenden Reden angegriffen oder verteidigt worden war.
    Die Regentin hatte die Bittschrift noch auf der Treppe vor dem Palast mit Tränen in den Augen gelesen. Laubstill war es derweil auf dem Sandplatz gewesen. Die jungen Männer forderten nichts außer einer Milderung der Inquisitionsgesetze. Und doch wußte Margarethe von Parma, wie sehr ihr Halbbruder gerade das Gerede von der »Gewissensfreiheit« verabscheute. Toleranz war ihm verhaßt. Er wollte keine Gnade auf Erden walten lassen, denn er war überzeugt, daß dies die Verdammnis in der Ewigkeit nach sich zöge – für ihn und für alle Verteidiger und Anhänger der neuen Religionen. Sie wußte, er würde jede Milderung in der Ketzerverfolgung ablehnen, mehr noch, er würde eher sein ganzes Weltreich dem Untergang preisgeben, als nur einen Schritt von seinem Wege abzuweichen.
    Lange Zeit war sie darum stumm geblieben. Die Knaben gingen schließlich, nachdem sie versprochen hatte, der Staatsrat würde ihre Vorschläge ernsthaft debattieren. So war es geschehen.
    Oranien hatte – mit Unwillen, da er nicht gerne seine wahren Gedanken preisgab – zu bedenken gegeben, der Verbund der Adligen verdiene Achtung, denn viele seien Freunde, ja Verwandte, loyale Edelleute und ehrenwerte Patrioten, die ihr Vaterland vor Gefahr schützen wollten. Egmont, der zuvor begeistert für einen Krieg gegen die Aufrührer votiert hatte, schützte nach dieser Rede nun eine Beinentzündung vor und sagte, er gehe in die Bäder nach Aachen.
    Der Herzog Berlaymont aber hatte sich noch einmal gegen diese »Geusen«, diese »Bettler« ereifert, die in ihren Worten so maßlos seien wie im Trinken und nun den König lehren wollten, ein Land zu regieren.
    Man war in Unfrieden geschieden. Ihre Hoheit, die Herzogin aber, schien zu Konzessionen bereit, hatte zugesagt, einen Gesandten an Seine Majestät König Philipp zu schicken, um darüber zu verhandeln.
    Oranien wußte, daß sich die jungen Adligen mit diesen blanken Worten bescheiden würden. Oranien wußte auch, daß diese Worte soviel wert waren wie ein Fetzen Papier, mit dem ein Hund spielt. Trotzdem: Schon feierten die Verbündeten voll jugendlichem Übermut. Sie hielten ein Bankett im Kulemburgschen Haus, tranken und stritten über den Namen ihres Bundes: »Bund der Freiheit« oder »Erretter der verlorenen Freiheit« wollten sie heißen, bis einer rief: »Der Berlaymont nannte uns Bettler, Geusen, nehmen wir den Namen an.«
    Die Begeisterung schlug hohe Wellen, schon ließ sich der Wortführer den ledernen Schnappsack und die hölzerne Trinkschale eines fahrenden Bettlers bringen, hängte den Sack um die Schulter, die Geusenschale um den Hals und trank auf seinen Entschluß. Lärm und Schwüre schlossen sich an, ungeheure Humpen wurden geleert, Tische umgestürzt. Man beschloß, fürderhin aschgraue Hosen, Wämse und kurze Mäntel zu tragen, dazu grobe Filzhüte, und diese Tracht zu tragen, bis König Philipp der Petition zustimmte. Und sie waren sicher, daß er – von ihnen über seine Unmäßigkeit belehrt – genau das tun würde. »Vivant les Gueux« – »Es leben die Geusen« schrien dreihundert junge Männer und fühlten sich als Helden.
    Oranien wußte es besser: mit Maulhelden war kein Krieg zu gewinnen. Schon gar nicht ein Krieg gegen den mächtigsten Herrscher der Zeit. Schweigen war das erste Gebot. Verstellung. Stille Vorbereitung, geschickte Spionage beim Feind, ruhige Gelassenheit und kalte Miene. Eben darum hatte er noch am Abend einen Boten in das Wirtshaus geschickt, in dem Lazarus Herberge genommen hatte. Er schüttelte das Daunenkissen in seinem Rücken auf und wartete voll Ungeduld, bis es endlich klopfte und Lazarus sein Schlafgemach betrat. Der junge Mann schien erschöpft, sein Gesicht war bleich. Oranien bot ihm mit einer knappen Geste einen Lehnstuhl beim Bett an.
    »Ich habe lange nichts von dir gehört, Lazarus Ossianus. Hast du unserer Sache den Rücken gekehrt? Hat dich dein Mut verlassen? Warum kamen keine Nachrichten mehr von dir?«
    Lazarus

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