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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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habt?«
    Rebecca nickte.
    »Nun, wenn ich nicht wüßte, wie trefflich Ihr Euch auf die Krankenpflege versteht, ich würde schwören, daß Frau Katharina ein einschläferndes Gift zu sich genommen hat. Ihr wißt, daß sie eine ihrer Mägde oft zum Apotheker schickte, vielleicht ...«
    »Nein«, Rebecca schüttelte den Kopf, »sie nahm nichts außer meiner Latwerge zu sich. Ich war danach die ganze Zeit bei ihr.«
    »Und«, Birckmann näherte sich Rebeccas Ohr, »Eure Mitschwester?«
    Rebecca schüttelte stumm den Kopf.
    »Van Geldern?« Die Begine runzelte ärgerlich die Stirn. »Ihr glaubt doch nicht den bösen Zungen und Tratschweibern?«
    Birckmann schüttelte den Kopf. »Nun denn, bringt mir etwas Brechwurz und einige Krüge Milch, ich will sehen, was sich tun läßt.«
    »Und einen Bader?« schlug Anna eifrig vor, während Mertgin lief, um das Verlangte zu holen.
    »Nein, ein Aderlaß empfiehlt sich nicht. Die Kranke ist zu erschöpft.«
    Was für neumodische Ansichten, dachte Anna bei sich. Ein Kurpfuscher und Quacksalber war dieser Birckmann, sogar eine Urinbeschau hatte er abgelehnt. Nun, ihr sollte es recht sein, nur an ihrem Eifer sollte keiner zweifeln.
    Columba betrat den Raum. »Was tust du noch hier?« fragte Rebecca. »Geh zurück zum Fest, dein Vater wird deine Abwesenheit bemerken.«
    »Ich mag nicht«, erwiderte Columba trotzig und trat neben Birckmann an das Bett der Stiefmutter. Wieder sah sie Tod und Verderben. »Steht es schlimm?« fragte sie, und ihre Stimme klang heiser.
    Birckmann sah zu ihr auf und stutzte. »Mädchen«, sagte er erschrocken, »was ist mit dir? Du blutest, deine Stirn.«
    »Ach das, nichts, ich schlug mir heute den Kopf auf.«
    Rebecca schob energisch die Haube hoch, die Columbas Stirn bedeckte. Das Mädchen zuckte unter der Berührung zusammen. Der Arzt entfernte das Pflaster aus Flachsfasern.
    »Eine tiefe Wunde. Schwindelt es dir?« Er legte beide Hände an ihre Schläfen. »Du fieberst.«
    Ein Krug fiel zu Boden und zerbrach. Mertgin klapperte auf hölzernen Trippen zu ihrer jungen Herrin hinüber. »Meine Seele, oh, welch ein Unglück, sie blutet schon wieder, und wie schwarz ihr Blut ist. Ich habe es gleich gesagt, sie hat sich die Pest geholt«, jammerte Mertgin. »Bei diesen Lumpensammlern und Knochensiedern, diesen Ketzern, diesem Heidenpack, da sitzt der Schwarze Tod in jedem Winkel, jedem Lappen.« Rebecca warf ihr einen warnenden Blick zu. Zu spät.
    »Welche Lumpensammler? Welche Knochensieder?« fragte Birckmann scharf.
    »Und welches Heidenpack?« warf mit schmeichelnder Stimme Anna ein.
    »Mertgin, bringe deine junge Herrin in ihre Kammer«, sagte Rebecca scharf. »Doktor Birckmann wird sich um sie kümmern, sobald er Katharina beigestanden hat.«
    Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch, und Birckmann gehörte nicht zu den Menschen, die mit aller Macht die Geheimnisse anderer ausforschten. Und doch, seltsam war es, daß einmal mehr Columbas Name in Zusammenhang mit Ketzern genannt wurde.
    Rebecca drückte ihm einen Tiegel mit Brechwurz in die Hand, Birckmann zerrieb es zu Pulver und mischte es mit Milch. »Haltet den Kopf Eurer Schwester, und du«, er wandte sich ohne jede Höflichkeit an Anna, »schlage die Decke zurück und bring eine Schale.« Mit geübten Fingern schob er die Kiefer der Kranken auseinander, fuhr ihr tief in den Rachen. Es folgte ein Würgen, dann Husten. »Es ist gut, sie kann noch schlucken«, sagte er und führte einen Becher an ihre Lippen. Mit behutsamen Bewegungen flößte er ihr die Milch ein. Wieder Würgen, Schlucken. Birckmann setzte erneut an.
    Die Kranke bewegte langsam, wie abwehrend, den Kopf. Der Arzt arbeitete geduldig und ohne Hast, bis der Becher zur Hälfte geleert war. Plötzlich bäumte die Kranke sich auf, ihr Kopf entglitt Rebeccas Händen, Katharina beugte sich über den Rand des Bettes, und in einem mächtigen Strahl schössen Blut, Magensaft und halbverdauter Brei aus ihrem Rachen.
    »Die Schüssel«, verlangte der Doktor barsch. Anna kniete sich hin und hielt sie der Kranken hin. Wieder bäumte die sich auf, röchelnd spuckte sie mehr Milch, mehr Magensaft, so lange, bis nur noch weiße Galle kam.
    »Was immer es war, das ihr Blut und Galle vergiftet hat«, sagte Birckmann, »sie hat es ausgespuckt. Ich glaube kaum, daß ihr nun noch Gefahr droht. Haltet gute Wache über sie und gebt Ihr nichts außer ein wenig Wein zu trinken. Nichts mehr von der Arznei, hört Ihr? Vielleicht hat sich ja doch der Apotheker

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