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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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daß eine Begine erscheint und einen Doktor von der Tafel holt? Alle Welt weiß, daß Ihr, du, daß ...« Sie verhaspelte sich. »Man kennt die Begine Rebecca als Krankenpflegerin, das will ich sagen. Die Spanier würden es erfahren und gewiß das Haus fliehen. Der Herr aber braucht die Spanier, es geht um entscheidende Geschäfte.«
    Anna lauschte höchst interessiert, war aus dieser Sachlage ein weiterer Vorteil zu schlagen?
    Die Beginenmeisterin zögerte kurz. Mertgin hatte recht. Von Krankheit zu reden, hieß in diesen Tagen, die Pestangst beschwören. Sie blickte zu Katharina hinüber. Die Brust der Kranken hob sich kaum noch, flach atmete sie aus, und in viel zu langen Abständen. Ich kann sie nicht den Geschäften meines Schwagers opfern, dachte die Begine, es wäre ein Hohn gegen sie, die glaubt, daß schon ihr Kind der Geldmacherei des Gatten zum Opfer fiel.
    »Mertgin, geh du und hole Columba, finde einen häuslichen Vorwand, niemand wird dabei Verdacht schöpfen.«
    »Columba?« fragte Anna erstaunt. »Was soll dieses tör ...« Mertgin sandte ihr einen strafenden Blick. Anna schluckte: »Was soll das Mädchen an einem Krankenlager?«
    »Nichts, ich werde sie gleich wieder zurückschicken, damit sie Birckmann herführt. Sie ist geschickt genug, um dabei kein Aufsehen zu erregen. Die Tochter des Hauses hat alles Recht, einen Gast im Hause herumzuführen, ohne daß jemand an Tod oder Krankheit denken muß.«
    Mertgin nickte. »Das wird gehen. Ich warte, bis ein paar Diener neue Schüsseln auftragen, und schlüpfe hinein. Niemand wird mich beachten.« Sie entriegelte die Tür und verschwand.
    »Wenn es kein falsches Kraut ist, dann muß es doch ein Teufel sein«, begann die lästige Anna.
    »Du hast eine seltsame Lust an Dämonen, scheint mir«, erwiderte Rebecca kalt, »ich rate dir, gib acht, daß du nicht die Aufmerksamkeit unseres Beichtvaters auf dich ziehst. Teufelsgeschwätz hat schon manchen in Verdacht gebracht.«
    Anna biß sich auf die Lippen. Wußte sie es doch, ihre angebliche Wohltäterin wollte ihr in Wahrheit Böses. Wie gut, daß sie diesem Lammblick von Anfang an mißtraut hatte, diesem sanften Getue, dieser verdächtigen Nachsicht und aufdringlichen Hilfsbereitschaft. Oh, wie sie Rebecca für all diese Tugenden haßte, die ihr die Bewunderung der Welt eintrugen. Aber sie haßte sie noch mehr, weil sie sie um ihr Geld beneidete.
    3
    V an Ypern sprang mehr als er tanzte, die Reiherfeder hüpfte mit. Columba hingegen bemühte sich um ruhiges Gleichmaß in ihren Schritten. Es war so peinlich vor der ganzen Festgesellschaft.
    »Ich weiß«, keuchte der Freiherr, »daß Ihr unter einem Tänzer wie mir zu leiden habt, aber verflucht, diese Trommelschläge fahren mir direkt in die Beine.« Ein Hüpfer folgte. Columba mußte wider Willen lächeln. Die unbekümmerte Fröhlichkeit des Flamen wirkte ein wenig ansteckend.
    »Hat der Prediger Euch die Laune verhagelt, mein Täubchen? Ich mag Euren Namen, wißt Ihr«, sagte der Freiherr in vertraulichem Ton. »Lacht weiter, mein Täubchen. Vergeßt diese Pfaffen, alles Leuteverführer und trockene Schwätzer. Sie übertreiben die Sünden ihrer Schafe, um sich zu ihren Hütern aufzuschwingen.« Ein weiterer Hüpfer.
    »Nicht so laut, man könnte Euch hören«, warnte Columba den rotbackigen Mann.
    Der warf den Kopf in den Nacken und lachte herzhaft. »Soll man mich ruhig hören, ich gelte ohnehin als Narr, darin liegt meine ganze Freiheit.«
    Die Farben seines Gesichts, die ganze übermütige Lebensfreude des Kerls erinnerten Columba seltsam an Tringin, und ihr vom Wein erhitzter Sinn wurde milde gegen den Tänzer. »Ihr lacht und trinkt sehr gern, Mijnheer, nicht wahr?«
    »Gewiß, schönes Mädchen, ich liebe das Leben licht und heiter, wer weiß, wie kurz es ist. Überall stirbt es, und der Trost ist ein Himmelreich, von dem mir lauter düstere Männer erzählen. Mir will es nicht gelingen, ihr Himmelreich so bunt zu finden wie dieses Fest.«
    Columba lachte, löste ihre Hand aus der des Mannes und wirbelte zum Klang der Trommeln herum bis ihr schwindelte. Es tat gut, fröhlich zu sein. Mit freundlichen Blicken streifte sie den bunten, hüpfenden Dicken. Vielleicht würde es ihm gelingen, Gefühle in ihr zu wecken – andere Gefühle als die, die sie zur Genüge kannte.
    Wieder betrachtete sie den Flamen, der nun von einem Bein aufs andere sprang und mit der Rechten den Musikanten zuwinkte. Er würde vielleicht ein angenehmer Mann sein – sie hätte

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