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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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herum. Vor ihr stand ein dürrer Mann in Schwarz, in dem sie für einen Moment den Tod sah. Doch es war nur ein Bleichling mit verschlagenem Gesicht.
    »Wer bist du? Was willst du hier?« zischte sie den Fremden an.
    »Was wolltest du heute morgen beim Frankenturm?«
    Anna krallte die Finger in die Bürste, bis sie schmerzten. »Wer bist du?« wiederholte sie beherrscht.
    »Ein ergebener Diener des Herrn van Geldern.« Drohend trat er an sie heran. »Sag, Elende, was hast du auf dem Turm getan, nachdem du dich in der Dämmerung aus seinem Haus geschlichen hast?«
    »Das geht dich nichts an«, gab sie frech zurück und wich zurück. Dunst aus den Waschkesseln verhüllte ihr Gesicht wie ein nasser Schleier.
    Seine Hand schnellte vor, packte sie hart an der Schulter. »Weiß deine Magistra, was du außerhalb der Krankenstube der Frau Katharina getrieben hast?« Er spürte, daß die Begine zitterte, und faßte sie härter.
    Anna wußte, daß sie nun einen Trumpf ausspielen mußte, wenn ihr Spiel nicht ganz verloren sein sollte.
    »Bist du auch ein Diener meiner Herrin? Dann wirst du bald in Konflikt geraten.«
    Die Hand des Dürren fuhr zurück. »Was redest du da, dummes Weib.«
    »Was weißt du von dem Tod Katharinas?«
    Die Lippen des Mannes zuckten. Er konnte seine Augen nicht überall haben. Anna trat einen Schritt vor, ihre Stirn glänzte feucht. War es Wäschedunst oder Angstschweiß? Die Nasenflügel des Dürren nahmen vergeblich Witterung auf. Anna wischte sich mit der Schürze die Stirn und zog ihre graue Haube zurecht.
    »Auch mir liegt viel am Wohle deines Herrn, an seiner Wohlfahrt, seinem Reichtum, seinem Seelenheil«, begann sie furchtlos. »Niemand sollte heimtückisch seine Ehre oder die seiner Familie beschmutzen. Darum war ich auf dem Frankenturm, um Lügen und Böses zu vermeiden.«
    Der Dürre zögerte einen Moment. Er wußte, daß er es mit einer listigen Schlange zu tun hatte. Sie lockte ihn mit einem Apfel vom Baum der Erkenntnis, der süßer für ihn war als alle Geheimnisse Evas. Sie schien etwas zu wissen, das van Geldern schaden konnte, aber würde sie ihm die Wahrheit verraten? Egal, er mußte sie reden lassen.
    »Wie sollte das gehen?« fragte er argwöhnisch.
    »Kennst du denn die Gerüchte nicht, die wie Ratten durch die Gassen flitzen? Der Tod deiner Herrin, kam er nicht merkwürdig früh und ihrem Gemahl gelegen?«
    Der Dürre seufzte halb erleichtert, halb enttäuscht. »Diese Gerüchte sind älter als Methusalems Bart.«
    »Auch die von dem Papiermesser des Kaufherrn neben Katharinas Bett?«
    »Wer«, fuhr der Dürre auf, »behauptet das?«
    »Niemand«, höhnte die Begine. Mit schmalen Lippen fügte sie hinzu: »Bis jetzt.«
    Der Dürre ließ ein verächtliches Lachen hören. »Und du willst das ändern? Elende Erpresserin, ist das dein Geheimnis? Es ist nichts wert. Einen van Geldern erpreßt du nicht.« Seine Hände schössen nach vorn und griffen nach ihrer Kehle.
    Anna schlug nach seinen Händen und schrie beinahe: »Ich rede von Rebecca.«
    Der Dürre prallte zurück.
    »Nun bist du vollkommen irre. Sie soll eine Mörderin sein und den eigenen Schwager des Mordes anklagen? Du törichte Närrin, was sollte dabei ihr Nutzen sein?«
    »Sie ist besessen wie ihre Schwester, deren Wahnsinn die Raserei Satans war. Sie will deinen Herrn vernichten.« Van Gelderns Spion verengte seine Augen zu Schlitzen. Ungerührt fuhr Anna fort: »Und eine Besessene ist nur auf den Nutzen eines einzigen bedacht, den des Leibhaftigen.«
    Kopfschüttelnd winkte der Dürre ab. »Du redest irre, du bist ein abergläubisches Weib wie die meisten Beginen. Niemand wird auf dich hören.« Wie gelangweilt wandte er sich zum Ausgang des Holzhäuschens.
    »Bist du dir da sicher?«
    Er wandte langsam den Kopf. »Ich bin kein Freund eurer Weibergemeinschaft, aber eines wirst du mir und der Welt nie einreden, daß eine Rebecca des Teufels ist, die den eigenen Schwager verderben will. Meinem Herrn droht keine Gefahr, auch nicht von einer Schwätzerin wie dir.«
    Anna biß sich auf die Lippen. Ihr Trumpf war zu früh ausgespielt, der andere machte noch keinen Einsatz. Vielleicht half ausnahmsweise die Wahrheit.
    »Wenn du von Nutzen sprichst«, begann sie vage, »so meinst du sicher Geld und andere irdische Vorteile, nicht wahr?«
    Der Spitzel wandte sich ihr flink zu, endlich sprach sie eine verständliche Sprache. Er hob eine Augenbraue zur Frage.
    Anna überlegte kurz. Mit einem einzigen Satz zerriß sie ihr eigenes

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