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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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Kopf. »Ein widerwärtiges Geschäft, ich würde mich lieber heraushalten. Einen Saitenmacher konnte er zur Vernunft bringen, der Mann wird abschwören wie die meisten. Man wird sie in die Verbannung schicken. Dieser Luthger hingegen ist ein starrköpfiger Schwärmer und Aufwiegler. Gestern entriß er dem Priester, der eine Messe im Beisein der Ketzer feierte, die geweihte Hostie, brach sie entzwei und rief: ›Der Heiland ist größer als solcher Tand.‹ Unverbesserlich!«
    Lazarus seufzte. »Ich dachte es mir.«
    »Dieser halbtote Greis trotzt dem Verhör und fürchtet weder Folter noch Schwert, nur um laut seinen Glauben zu bekennen, indem er sagt, daß die Menschen allesamt sündhaft und für die Hölle bestimmt sind.«
    »Den Armen gefällt dieser Satz, weil er bedeutet, daß vor Gott alle gleich sind.«
    »Und abgrundtief schlecht. Ein gutes Beispiel für die dogmatische Torheit der Evangelisten. Sie kennen nicht den Begriff der Gnade.«
    »Sie verachten das Geschäft mit der Sünde, die Ablässe, die Versprechungen durch bloße Gebete. Sie suchen Gott in ihrer Seele, nicht in Zeremonien und Riten. Sie wollen Gerechtigkeit hier auf Erden, nicht erst beim Jüngsten Gericht.«
    »Sie verachten das Leben wie den Tod«, urteilte der Doktor mit angewidertem Blick.
    »Aus diesem Holz sind die Märtyrer geschnitzt«, warf sein Gegenüber mit einem leisen Unterton der Ironie ein.
    Birckmann warf ihm einen lauernden Blick zu. »Cassander erzählte mir vom Unglück Eures Vaters unter dem Tyrannen Calvin. Ist das der Grund für Eure Ketzerliebe?«
    Lazarus schüttelte grimmig den Kopf. »Ihr täuscht Euch, ich liebe die Ketzer nicht, ich hasse nur die Verschwendung von Menschenleben. In dieser verworrenen Welt gibt es nur wenige Gesetze, an die ich mich zu halten pflege. Eines davon ist, Menschen in Bedrängnis zu helfen. Oder könnt Ihr als Katholik und Arzt Euch den heiligen Martin vorstellen, der neben einem Verwundeten ausruht und sich bei Wein und Weib amüsiert? Gott hat in der Welt der Körper keine Macht, hier auf Erden kann er nur durch uns Menschen handeln.«
    Birckmann seufzte, er liebte das Philosophische nur, wenn es sich nicht in die unmittelbaren Belange seiner Existenz mischte; sein Gegenüber hingegen schien vollkommene Wahrheit und unvollkommene Wirklichkeit in ungesunder Weise zu vermischen. Beide bildeten nur selten ein stimmiges Paar.
    »Nun«, meinte er schließlich, »wenn man diesen Luthger dem Hochgericht überstellt, dann ist es um ihn geschehen, und wenn ich mich nicht irre, ist diese Tringin von so treuer Natur, daß sie ihn begleitet.«
    Lazarus’ Mund zuckte. »Es sei denn, man fände einen ganz anderen Ausweg für beide. Vorbei am Hochgericht, direkt in die Freiheit. Ich hörte, daß der Frankenturm seine Schlupflöcher hat, lose Steine in den heimlichen Gemächern, nachlässige Wächter.«
    Birckmann verschluckte sich an seinem Getränk und hustete.
    »Schnell einen Arzt!« grölte von einem Schanktisch her ein Witzbold. »Der Herr Doktor verreckt uns.« Der Wirt schlug mit einem Lappen nach ihm.
    Birckmann suchte in seinen Taschen nach einem Tuch und wischte sich Mund und Bart. Pfeifend schöpfte er Atem. »Junger Mann, was Ihr eben gesagt habt, habe ich nicht gehört. Es ist schlimmer als alle Ketzereien. Ohnedies ist es hohe Zeit, daß ich mich wieder meinen Geschäften widme.« Er erhob sich und warf einige Münzen auf den Tisch.
    »Auf ein Wort noch«, flüsterte der Uniformierte eindringlich.
    Ungeduldig blickte Birckmann ihn an. Lazarus erwiderte den Blick mit beinahe feindseliger Entschlossenheit.
    »Was wißt Ihr vom Tod der Katharina van Geldern?«
    Der Doktor erbleichte. »Wie meint Ihr das?«
    Lazarus’ Augen wurden hart wie polierter Stein. »Ich hörte, ein Messer war dabei im Spiel.«
    Fassungslos starrte Birckmann auf ihn herab. »Ein Messer«, brachte er schließlich mühsam hervor, »wer sagt das?«
    »Euer Liebling. Columba.«
    Birckmann ließ den Saum seines Mantels fahren und sank zurück auf seinen Hocker. Er stöhnte.
    »Was wißt Ihr?« bohrte Lazarus weiter.
    »Nichts. Nichts von einem Messer.«
    Lazarus sah, daß hinter der Stirn des Mannes seine Gedanken in wilder Jagd rasten. »Eines noch. Was ist von Rebecca, der Begine, zu halten, die Ihr als Pflegerin zu Tringin schicktet?«
    Der Mediziner hob die Augen, maßloses Entsetzen stand darin. »Was soll diese Frage bedeuten? Was wollt Ihr andeuten? Wie könnt Ihr!«
    »Nichts deute ich an. Sagt mir nur, wie

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