Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Lügennetz, es war nicht geeignet, um den fetten Fisch, nach dem es sie gelüstete, zu fangen. »Es gäbe einige Menschen«, ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab, »denen Rebeccas Schuld von großem Nutzen wäre. Sie hinterläßt, wenn sie stirbt, ein beachtliches Erbe.«
Der Diener in Schwarz runzelte kurz die Stirn, ordnete seine Gedanken, sein Blick klärte sich. »Ich verstehe.«
»Ich sah, wie gesagt, das Messer. Vielleicht sah ich es ja in ihrer Hand.«
»Du lügst, und das wird nicht genügen.«
»Wie schade, daß du nicht an Teufel glaubst.«
»Nur an einen. Er heißt van Geldern.«
Schmeichelnd näherte sich ihm die Begine, ihre Wangen waren rot von der feuchten Wärme, ihre Augen glitzerten, ihr Atem bildete feine Federwolken. »Warum schließen wir keinen Bund mit ihm?« fragte sie lockend.
»Du überschätzt dich. Er ist schlau und ein kalter Rechner.«
»Ist er so schlau, wie du?« Sie legte eine Hand, eine warme, liebkosende Hand dahin, wo ihn sonst nur Huren zu berühren pflegten. »Und so kalt?«
Jetzt erst erkannte der Dürre auch die Eva in ihr. Eine Eva, die eine Hure war.
9
M it düsterer Miene betrat Lazarus die Schenke an der Frankenwerft. Mißmutige Blicke streiften seine Uniform, Kakerlaken wimmelten aufgeschreckt durchs Bodenstroh, als er mit festen Tritten den Wirtsraum durchquerte. Hochmütig ließ Lazarus den Blick über die Gäste schweifen. Lotterbuben und Lumpenpack, darunter einige Huren vom Bordell auf dem Berlich. Beinerne Würfel kollerten über die derben Schanktische, in einer finsteren Ecke war ein rotbemalter Schemel für den Henker und seine Knechte reserviert. Mit einer Mischung aus leisem Entsetzen und unverhohlener Bewunderung registrierten die Gäste, daß der Spanier ganz ungerührt direkt neben dem Schemel des Ehrlosen und Unberührbaren Platz nahm, als scheue er Tod und Teufel nicht.
Lazarus bestellte Gerstenbrei und Bier, beides so scheußlich wie das pockenzernarbte Gesicht des Wirtes. Doch besser Getreidebrei als Fleisch, Innereien, Blut. Es flößte ihm seit einiger Zeit Ekel ein, etwas zu essen, was gezuckt und gelebt hatte. Columbas weher Blick beim Anblick der sterbenden Sperlinge während des gestrigen Festes fiel ihm ein. Auch sie war begabt, mit der Kreatur zu leiden. Eine seltene Gabe. Und doch – ihr Gerede vom Messer, das blutige Leintuch, Cassanders Warnung. Was hatte das zu bedeuten?
Stumm löffelte er sein Essen, als die hölzerne Tür ein zweites Mal aufgeschlagen wurde und mit der Kälte ein seltener Gast in die Schenke trat.
Mit einem Blick des Ekels zog der seinen pelzverbrämten Mantel enger um sich, hob den Saum während er durch das faulige Stroh stakte. Der Wirt deutete eine leutselige Verneigung an. Doktor Birckmann winkte grimmig ab und verlangte einen heißen Gewürzwein. Dann entdeckte er Lazarus neben dem Henkersschemel und runzelte verärgert die Stirn.
»Einen seltsamen Platz habt Ihr Euch ausgewählt«, sagte er, als er auf den bartlosen jungen Mann zutrat. »Henker, Abdecker und Abtrittfeger pflegt man in Köln zu meiden.«
»Nicht nur in Köln«, kam es knapp von Lazarus. »Eben deshalb schien mir diese Winkelschenke für ein vertrauliches Gespräch geeignet. Was wir zu bereden haben, taugt nicht für vornehme oder zimperliche Ohren.«
Birckmann griff sich einen Hocker und nahm seufzend Platz. Stumm warteten beide, bis der Wirt den dampfenden Wein gebracht hatte, erst dann begannen sie flüsternd ihr Gespräch.
»Nun?«
»Diese Tringin ist ein zähes Mädchen, sie wird die Wunde überleben. Ich habe die beste Pflegerin der Stadt für sie ausgewählt, die Begine Rebecca. Ich schickte ihr einen Boten.«
Lazarus schaute rasch auf, dann sagte er knapp: »Ich danke Euch für die Mühe, Cassander sagte, daß Ihr ein Menschenfreund seid.«
»Dankt nicht mir, dankt Cassander und Columba. Wäre er nicht so ein bedeutender und todkranker Mann, und sie nicht ein so angenehmes Geschöpf, ich hätte diesen Gang gewiß nicht getan. Wie geht es Columba?«
Lazarus zuckte die Achseln. »Das Fieber ist vorbei, ihr Temperament aber nach wie vor hitzig.«
Birckmann lächelte zum ersten Mal. »Ja, sie hat Quecksilber im Blut. Ein ungestümes Wesen, das Element des Feuers ist das ihre, so war sie schon als Kind.«
Lazarus wischte sich den Mund und schob die Tonschüssel von sich weg. »Wo Ihr vom Feuer sprecht, was hat Cassander bei den Ketzern erreicht?«
Birckmanns Augen wurden wieder trübe, ärgerlich schüttelte er den
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