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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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Das finstere Haus hatte sie wieder. Auch der Gedanke an den Flamen im Garten hob ihre Stimmung nicht. Obwohl ... Er würde ihr helfen, diesem trüben Gefängnis mit all seinen Geheimnissen auf immer zu entfliehen. Eine Heirat konnte nicht schlimmer sein als das hier. Wenn nur die Geschichte mit Tringin zu einem guten Ende zu bringen wäre, dann würde sie mit einem Lachen das Haus verlassen. Sie warf einen Blick über das Treppengeländer hinauf bis zur Galerie im zweiten Stock. Endlich weg von hier und Julianas niederträchtiger Verleumdung, daß sie, Columba, das Messer in jener Nacht nicht nur aufhob, sondern ... Nein, schüttelte sie stumm den Kopf, diese unsinnige Idee konnte nicht einmal Juliana ihrem Vater einreden.
    Sie erreichte die unterste Stufe und schaute zur Tür des Morgensaals. Der Dürre hatte seine Botschaft bereits überbracht und war in den Hof geeilt, neuen Geheimnissen auf der Spur. Die Gelegenheit war günstig, um über Tringins Schicksal zu sprechen. Tringin, ja, nur darum mußte sie noch einmal mit diesem lästigen Mann sprechen.
    Entschlossen öffnete Columba die Tür und fand Mertgin in vertrautem Gespräch mit Lazarus. Die Magd flüsterte dem jungen Mann etwas ins Ohr. Als sie das Geräusch von Columbas Schritten vernahmen, lösten sie sich voneinander. Mertgin blickte schuldbewußt. Mit gesenkten Augen ging sie auf ihre Herrin zu und knickste.
    »Soll ich Euch einen Becher Wein bringen?« fragte sie. »Das Begräbnis hat Euch sicher mitgenommen. Suchtet Ihr mich?«
    »Nein«, antwortete Columba scharf und musterte sie mißtrauisch. Was hatte der galante Lazarus ihr nur entlockt? »Ich bin auf dem Weg in den Garten, um den Freiherrn zu treffen.«
    Mertgins Miene veränderte sich und nahm den für sie typischen ärgerlichen Ausdruck an, wo es um das rechte Betragen und Wohl ihres Schützlings ging. »Ach, der Freiherr«, spuckte sie fast.
    Der Junker hatte in den vergangenen Tagen mit seinen losen Reden und derben Scherzen alles getan, um ihr Wohlwollen endgültig zu verlieren. So ein Tollkopf und ihre ungestüme Herrin, das gäbe ein gott- und sittenloses Paar. Über ihren Kopf hinweg bemerkte Columba, daß Lazarus’ Lippen sich zu einem amüsierten Lächeln verzogen.
    »Ich wünsche nicht, daß du so abfällig von meinem künftigen Verlobten sprichst«, schalt Columba einer spontanen Eingebung folgend. Lazarus’ Lächeln verschwand nicht, sondern vertiefte sich. Mit blitzenden Augen wandte Columba sich an Mertgin. »Er ist ein fröhlicher, vornehmer und angenehmer Mann«, fuhr sie hitzig fort, als müsse sie Mertgin davon überzeugen, ihn zu ihrem Ehegemahl zu wählen.
    »Fröhlich? So nennt Ihr seinen ewigen Gottesschimpf und seinen Rebellensinn? Er ist Untertan des spanischen Königs und führt nichts als lose Reden über Seine katholische Majestät. Behauptete gestern, der Herrscher führe seine Geliebte als Page verkleidet mit sich und habe dem eigenen Sohn die Braut ausgespannt.« Atemlos und wütend hielt Mertgin inne. »Ach, was rede ich und wiederhole seine Derbheiten, er ist ein ...«
    »Hüte dich«, warnte Columba nicht minder erzürnt, »denn ich liebe ihn.« Lazarus lachte leise.
    »Was fällt dir ein, dummer Spanienknecht?« funkelte das Mädchen nun ihn an.
    »Columba!« Mertgin war ehrlich entsetzt. »Er ist der Bote des Finanzsekretärs und Gast Eures Vaters. Entschuldigt Euch.« Hoch richtete sie sich auf, jeder Zoll eine strenge Erzieherin. »Sofort.«
    Columba kniff trotzig die Lippen aufeinander und wirbelte herum zur Tür.
    »Wenn du erlaubst«, Lazarus verneigte sich gegen Mertgin, »werde ich mit deinem Schützling ein paar Worte wechseln, die sie gewiß beruhigen.«
    Columba stoppte abrupt. »Von dir will ich nichts mehr hören!«
    »Ich habe Nachrichten, um die du mich gebeten hast.«
    Mertgin schaute verwirrt zwischen beiden hin und her, warum der vertrauliche Ton, woher das traute Du?
    »Von einer Freundin«, fügte Lazarus hinzu.
    Mertgin wunderte sich immer noch. Die wutglitzernden Augen ihrer jungen Herrin, das bartlose hübsche Männergesicht mit dem leicht überheblichen Mund, die geröteten Wangen Columbas, die sie hübsch strahlen ließen, die dunklen Samtaugen des Mannes – endlich fügte sich alles zu einem klaren Bild zusammen. Mertgin erschrak kurz, dann verengten sich ihre Augen listig. Immer noch besser ... Entschlossen knickste sie nach beiden Seiten. »Wenn Ihr erlaubt, ziehe ich mich nun zurück, es gibt noch so viele Dinge zu ordnen, zu

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