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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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gehüllt hatte, eine steife Halskrause lag wie ein Spinnennetz um ihren schlanken weißen Hals. Als der Diakon von St. Alban das Miserere anstimmte, warf sie ihm einen hochmütigen Blick zu. Hinter ihr kniete Melina, deren Rücken von den Schlägen ihrer Herrin schmerzte.
    Als die Messe vorbei war, zogen die van Gelderns in langsamem Zug zu der Treppe, die zum Triforium und von dort direkt zur Tür ihrer Hauskapelle führte. Eine private Andacht beschloß die Trauerfeierlichkeiten.
    Für den Abend waren nur engste Freunde, Gesinde und Angestellte zum Reuessen, dem Leichenschmaus im kleinen Kreis, geladen. Van Geldern scheute in diesem Fall jeden Pomp und Prunk. Zu schnell geriet man in Verdacht, bei ausgelassenen Totenfeiern nichts als das eigene Vergnügen im Sinn zu haben. Schon hieß es in Köln über diese Feste, sie dienten dazu »das Fell des Toten zu versaufen«, und in seinem Falle kam dieser derbe Spruch der Wahrheit gefährlich nahe, auch wenn er nicht vorhatte, Katharinas Erbe sinnlos zu verprassen.
    Eben deshalb rief der Kaufherr nach der Andacht in der Hauskapelle Columba in sein Büro. Mit blassem Gesicht folgte ihm die Tochter in sein Arbeitszimmer.
    »Du wirst den Konvent deiner Tante noch heute verlassen und heimkehren«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Columba wagte nur einen flehenden Blick. Van Geldern wandte sich ab und schaute durch die grünen Glasfenster in den winterkalten Garten darunter.
    »Vater«, begann seine Tochter schüchtern.
    »Da unten sehe ich den Junker Fritjof. Geh hinab und leiste ihm Gesellschaft, er hat lange genug auf dich gewartet, und endlich bin ich in der Lage, ihm eine angemessene Mitgift für dich anzubieten.«
    »Vater«, begann Columba noch einmal, diesmal mit einem Anflug von Trotz.
    »Geh, sage ich. Dein Ungehorsam ist mir bitter genug. Man sah dich gestern mit Rebecca im Frankenturm. Es mag angehen, daß sie dort der Krankenpflege nachgeht, aber für dich gilt eine solche Entschuldigung nicht. Du bist keine Begine.«
    Der Dürre!, dachte Columba zornig. Verfluchte Spitzelei, sie mußte einen geschickteren Weg finden, um seinen Augen zu entkommen.
    Der Kaufmann drehte sich um und schaute der Tochter direkt ins Gesicht. »Ich dulde deinen Umgang mit dieser Ketzerdirne nicht, hörst du? Ich wünsche, daß du deine zärtlichen Gefühle ganz auf den Freiherrn beschränkst.«
    Columba zog die Augenbrauen zusammen. »Und was, wenn ich es nicht täte?«
    Arndt van Geldern lachte hart. »Ich scheue mich nicht, dich in diese Ehe zu prügeln, zwinge mich also lieber nicht. Ansonsten stehen dir der Weg ins Kloster und die selbstgewählte Armut frei. Reizt dich das?« Columba erschrak heftig, der Kaufherr registrierte es mit Befriedigung. »Du kannst froh sein, einen so eifrigen Anbeter zu haben, der nichts oder wenig über deine unsinnigen Neigungen zu Aufwieglern weiß. Rede nicht mit ihm davon.«
    »Warum verwendet Ihr soviel Mühe auf meine Verehelichung? Warum darf Juliana unbedrängt ihre Freiheit genießen?«
    Der Kaufmann stieß einen Laut des Unmuts aus. »Die Freiheiten, die deine Schwester genießt, geziemen sich einer vornehmen Tochter. Was du treibst, könnte den Untergang unseres Hauses bedeuten. Außerdem hat Juliana so viele Freier wie Finger an der Hand, sie kann sich Zeit nehmen, um zu wählen.«
    »Es ist ungerecht, es ...«
    Ein Klopfen unterbrach sie. Der Dürre trat ein. Mit gespielter Demut verharrte er auf der Schwelle. Columba warf ihm einen haßerfüllten Blick zu, unter dem er sich zu winden schien. Doch dabei glitzerten seine Augen tückisch.
    »Verzeiht, ich wollte Euch nicht in Eurem Gespräch stören.«
    »Du störst nicht«, erwiderte sein Herr und sah über seine Tochter hinweg, als sei sie eine Puppe wie die Ritterfigur neben seinem Schreibtisch.
    Der Dürre registrierte es mit Befriedigung. »Lazarus Ossianus wartet unten und bittet um eine Unterredung. Er trägt Briefe des spanischen Königs bei sich.«
    »Laß ihn noch eine Weile warten, dann schicke ihn herauf. Sage, ich habe zu tun.«
    Der Dürre verneigte sich, Columba wollte das Gespräch über den Freiherrn wieder aufnehmen. Ein Blick des Vaters brachte sie zum Schweigen. »Geh in den Garten, sagte ich. Es gibt nichts mehr zu sagen.«
    Mit höhnischem Grinsen hielt der Dürre die Tür für sie offen. Als sie sich hinter beiden schloß, drängte er Columba beiseite und sprang auf mageren Beinchen die Treppe hinab.
    Columba trödelte langsam die Stufen hinunter.

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